grimo auf reisen

die welt liegt uns zu füßen

Babylon by Bus (1)

Unter diesem Titel wollte ich eigentlich über meine babylonische Sprachverwirrung schreiben. Die zur Folge hat, dass sich seltsamerweise das Französische so sehr in mein Hirn gefressen hat, dass ich sogar schon an Hostel-Rezeptionen versucht habe, ein Gespräch auf Französisch zu beginnen.

Angefangen hat das alles mit Emeline und Simon, dem Pärchen aus Paris, das ich in Campeche kennengelernt hatte und mit dem ich auch Palenque besucht habe.

Im Minibus von dort nach Flores saßen erneut zwei französische Pärchen. Dazu eins aus Großbritannien, eins aus Madrid und zwei aus Japan, sowie drei Italiener, die ich übrigens alle später unabhängig voneinander in Tikal wiedergetroffen habe.

Während der Fahrtpausen hab ich mich erst mal an die Spanier und die Briten gehalten, um meinen Sprachhaushalt einigermaßen wieder in Einklang zu bringen. Doch am zweiten Abend in Flores waren dann die hier Franzosen auch an den wunderbaren Essensständen am Seeufer. Ich habe für sie ein wenig gedolmetscht und dann haben wir uns Tostadas, Tamales, Tacos und so weiter geteilt – und stundenlang französisch parliert. Über das Reisen, über Gott und die Welt im allgemeinen und über Journalismus nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo im speziellen. Alors!

Zum Glück gibt es aber auch noch Agustina und Alvaro, ein junges Medizinerpärchen aus Córdoba in Argentinien. Das erst Mal sind mir die beiden bei der Brüllaffenbegegnung in Tikal über den Weg gelaufen. Später hab ich sie mehrfach irgendwo auf dem Gelände wiedergetroffen, als sie grübelnd vor irgendwelchen Wegweisern standen.

Am Sonntag wollte ich dann eigentlich einen ganz entspannten Tag mit intensivem Nichtstun verbringen, dafür hatte ich mit das Cool Beans, ein laut Eigenwerbung Café Chilero ausgeguckt. Chilero, hatte mir die freundliche Bedienung hinter dem Tresen am Samstagabend erklärt, sei ein guatemaltekischer Ausdruck für schön, toll, cool, chevere.

Und das trifft auf das Cool Beans allemal zu. Denn hinter dem eingeschossigen Altbau in der Nordostecke von Flores versteckt sich eine Terasse und ein kleiner, wilder Garten mit ein paar Tischen – und vor allem mit direktem Blick auf den über alle Ufer schwappenden Lago de Peten Itza.

Der läuft gerade im Wortsinne über. An vielen Stellen in Flores steht die komplette Uferpromenade unter Wasser. Das, so hatte mir ein freundlicher Schiffer am Kai erklärt, liege am heftigen Regen in diesem Winter. Um bis zu 70 Zentimeter sei das Wasser gestiegen. Eine echte Besonderheit, denn zuletzt sei das vor ungefähr 40 Jahren passiert.

Auch wegen des Hochwassers ist es in dem mitten im See liegenden und dicht bebauten Städtchen Flores, das vor vielen hundert Jahren von den Itza-Maya angelegt wurde, nachdem sie aus Chichen Itza vertrieben worden waren, nicht so ganz einfach einen gemütlichen Platz am Ufer zu finden. Zwar gibt es eine ganze Reihe von Gastronomiebetrieben, aber das sind fast ausschließlich Restaurants, in denen zudem nur Holzstühle mit sehr senkrechten Lehnen stehen. Gemütlich ist anders.

Deshalb hatte ich mich am Samstag nach dem Tikalbesuch so gefreut, das Cool Beans gefunden zu haben – und war fest entschlossen meinen zum Ausspannen reservierten Sonntag zum Großteil dort mit Lesen, Schreiben, Kaffee- und Fruchtsafttrinken zu verbringen. Dummerweise ist das Café aber nur von Montag bis Samstag chilero, sonntags hat es zu. Die Inhaber spannen selber aus.

Tja.

Zum Glück ist Flores ja so klein, dass man zwar kaum Ausweichmöglichkeiten hat, andererseits aber prompt ein paar Meter weiter netten Leute wiedertrifft – in diesem Fall Alvaro und Agustina, die am Ufer hocken.

Wir verbringen einen langen Sonntagnachmittag zusammen mit Gesprächen über das Reisen, Gott und die Welt im allgemeinen, sowie die Schwierigkeiten unsere jeweiligen Heimatländer mit ihrer komplizierten Vergangenheit einen angemessenen Umgang zu finden. In Argentinien, erzählen die beiden, sei die Zeit der Diktatur der späten 70er und frühen 80er Jahre und die damaligen Verbrechen bis heute kaum Thema an Schulen. Ich sage ihnen, dass das in Deutschland was den Holocaust betrifft, etwas anderes ist, aber dass wir dafür auch sehr lange gebraucht haben. So hielt der gerade verstorbene Bundespräsident Richard von Weizsäcker seine berühmte Rede zum Umgang mit den Naziverbrechen ja erst zum 40. Jahrestag des Kriegsendes. Und so lange liegt die Diktatur in Argentinien noch gar nicht zurück.

Schließlich landen wir in einem dieser Restaurants am Ufer, teilen uns eine Pizza und eine Karaffe Horchata, ein sehr süßes, weißliches, aus Reissud hergestelltes und mit Zimt gewürztes Getränk, bis die Sonne untergeht. Und mein Kopf ist wieder randvoll mit Spanisch, so wie es sich für Lateinamerika gehört.

Über all das wollte ich unter dem Titel „Babylon by Bus“ schreiben,

aber jetzt sitze ich längst in Belize im Bus von Belmopan nach Dangriga und alles ist schon wieder ganz anders.

2 Responses to “Babylon by Bus (1)”

  1. […] Über all das wollte ich unter dem Titel “Babylon by Bus” schreiben, […]

  2. […] Richtung Guatemala, dann über den Grenzfluus übersetzen und auf der anderen Seite weiter Richtung Flores, die Stadt auf einer Insel im See, wo eigentlich alle absteigen, die mal wieder Ruinen sehen […]

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