grimo auf reisen

die welt liegt uns zu füßen

„BOOT!“ von The Thing: Trommelfellmassage

Jetzt tun mir die Ohren weh. Und der Kopf tanzt. Schüttelt sich. Wiegt. Shaked. Lauter! Geht das auch lauter? Im Kopf, im Kopfhörer werden Saxophone gefoltert. Schlagzeuge geprügelt. Ein Bass gezerrt. The Thing is back! Mir ist zum heulen. Flash. Flash. Flash!

The Thing, das ist dieses schwedische Jazz-Trio, das mir im Januar auf meinem Flug nach Argentinien in die Ohren gespült wurde. Im Entertainment Screen der Air-France-Maschine war ich über die Sängerin Neneh Cherry gestolpert, die hier aber keinen Softpop a la „7 Seconds“ von sich gab, sondern krachenden Hammerjazz vom feinsten. Aufgenommen eben mit dem Trio um den Saxophonisten Mats Gustafsson, einem der renommiertesten Freejazzer überhaupt. Neneh Cherry and The Thing hieß das Quartett in diesem Fall. The Cherry Thing war der logische Name für die Platte, die seither nicht mehr aus meinem Kopf geht. Nicht vom iPod. Nicht aus den Knochen.

Und jetzt gibt es neues von The Thing. „BOOT!“ heißt die Platte, die man seit Mitte November zB. bei bandcamp für sehr gut investierte 10 Dollar runterladen kann – wenn man denn auf echten, rhythmischen, ja vor allem auch explosiv rockigen Freejazz steht – und zudem auf die Stimme von Neneh Cherry verzichten mag. Das rein instrumentale Ergebnis mag etwas gewöhnungsbedürftig sein für die Nerven mainstreamgeschulter Harmonieexperten. Aber!  Wem das Verrutschte, Expressive, Schreiende, Enthusiatische, Exorbiatante in die Beine fährt – der ist hier richtig. Absolut richtig. Trommelfellmassage.

Dabei geht es hier keineswegs nur um Feedback. Auch wenn Jimi Hendrix zweifellos seine Freude hätte an dieser vollkommen gitarrenlosen Musik. Aber wer braucht schon eine Gitarre, wenn Mats Gustafsson sein Saxophon mit zärtlicher Inbrunst malträtiert? Hier brummt es. Hier möchte man fast zwangsläufig zum Ausdruckstanz ansetzen. Geht ja nicht anders. Denn alles andere ist undenkbar. Mehr. Und mehr. Und mehr davon.

Ich tippe die Buchstaben gerade im treibenden Beat von „ReBoot“, dem Zehn-Minuten-Hammer. Ich ti. Ich. Ich tippe. Es rollt. Rollt. Groove-kreischt. Sägt. Schrappert. Drängt.

Dann plötzlich wird klar, wofür es diese Dinger gibt. BASSSAXOPHONE.

Und dann wieder: lauter! Geht das auch noch lauter? Ein kleines Stück noch lauter? Selten war ein Ausrufungszeichen am Ende eines Plattentitels so angemessen wie hier.

Und jetzt tun mir die Ohren weh. Zum Glück!

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