grimo auf reisen

die welt liegt uns zu füßen

Das Spiel

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Der Brite mit den rotgefaerbten Haaren tanzt schon  wieder auf der Bar. Immerhin hat er diesmal noch seine Hose an. Anders als vorhin. Nuechtern geht anders. Glaeser hoch, die Masse johlt. Fuenf Meter weiter spielt der Inder um sein Leben. „Life is not easy“, sagt er und schaut auf den Billardtisch. Die Kugeln, vertrackt.  Er spielt mit der Belgierin. Und fuer sie. Es ist eine Art Tanz. Jetzt sind die anderen dran. Mark , der Typ mit der coolen Wollmuetze. Er spielt nicht schlecht. Er zoegert. Es geht ihm offensichtlich nur um die Kugeln, nicht um seine Partnerin. Eine schuechterne Englaenderin mit Brille. Der Inder und die Belgierin analysieren die Lage. Sehr nah beieinander. Sie laechelt. Der Inder streicht durch seinen tiefschwarzen Bart. Die junge Britin klascht in die Haende, weil Mark eine Kugel versenkt hat. Der Stuttgarter, der gestern noch mit der neu erworbenen Gitarre auf der Dachterrasse sass und Journalist werden wollte, besser noch: Fotojournalist, arbeitet jetzt auch hier an der Hostel-Bar. Er hat wie alle sich das Gesicht geschminkt. Zombie Night.

Die Koreanerinnen fehlen. Gia und Zijan. Gia heisst: „Know yourself!“ Grundschullehrerinnen, die eigentlich beide allein durch Suedamerika reisen wollten – und sich dann trafen, im Hostel, in Lima. Sie muessen sich erstmal erholen. Sie waren mit Leo, dem grossen Brasilianer, der sich unbaendig darueber freuen kann, dass jemand weiss, dass Brasilia die Hauptstadt seines Landes ist und nicht ein anderer Name dafuer, die drei zusammen waren beim Downhill. Die Tour, die hier alle machen. Fast alle. Die Death Road runter. Von 4.500 Metern runter auf 1.000. Und am Ende wartet ein Pool. Alle schwaermen davon. Leo humpelt. Er hat sich uebel langgelegt. Die ansonsten  trinkfesten Koreaninnern sind abgetaucht.

Der Inder ist wieder am Zug. Er spielt die anderen in Grund und Boden. Die Belgierin laechelt.  Und laesst sich von ihm gern erklaeren, was sie machen soll, wenn sie an der Reihe ist.

Ein zweiter Brite, ein dritter, ein vierter. Sie groehlen. Der Raucheraum ist voller Brasilianer. Der Deutsche mit dem Feuerzeug spricht nur Spanisch. Zwei Argentinier freuen sich, dass der jeweils andere auch aus Argentinien kommt.  Auf der Bar tanzen jetzt schon drei Typen. Der eine fasst sich in der Schritt. Unten im Computerraum unterhalten sich ein paar Israelis. Sie sprechen ueber Scharon. Mehr ist nicht zu verstehen. Dann gehen sie hoch. Der andere Deutsche will wissen, ob ich bei der Polizei war.

Der Inder spielt ueber Bande. Er gewinnt jedes Spiel. Mit der Belgierin. Fuer die Belgierin. Eigentlich wollte sie morgen weiterfahren. Jetzt bleibt sie noch einen Tag, damit der Inder an ihrem Laptop die ueberfaellige Arbeit fuer die Uni schnell beenden kann. Mit dem Laptop, mit dem sie beim spaeten Fruehstueck mit ihrem Freund geskyped hat. Als der Inder ihr gegenuber sass. Ist sie nicht eine wunderbare Frau?, fragt der Inder.  „Life is not easy“, sagt der Inder.

Jetzt holt die junge Britin frisches Bier. Weiss jemand, wem die Rotweinflasche gehoert?  Die Franzoesin hat fuer heute genug. Sie sitzt am Computer. Sie muss frueh ins Bett, morgen ist sie dran. Down hill. Da geht es frueh raus.  Die anderen Frauen haben sich rausgeputzt. Der Ausschnitt so tief wie der Rock lang. Oder kurz. Dazwischen gibt es nichts. Die Typen fuehlen sich stark. Sie haben grosse Bierglaeser in der Hand. Es gibt tatsaechlich auch ein paar Leute, die hier Spanisch reden. Argentinier meisten. Manchmal Chilenen. In welchem Land sind wir eigentlich gerade? Wo ist eigentlich der Schweizer geblieben, der hier gestern noch … ? Und Ivan, der kroatische Deutsche. Ach ja, dem war es hier zu laut, in dieser Partykneipe mit angeschlossenem Beherbergungsbetrieb.

Der Inder ist die coole Sau an sich. Er ist ein Meister der Inszenierung. Er schaut, er legt den Kopf schief, er geht auf die andere Seite des Tisches, er geht wieder zurueck, er peilt an. Er versenkt alles. Er fegt die Argentinier vom Tisch. Die Masse johlt. Hast du das gesehen?, fragt er spaeter. Die letzte Kugel?

Eine Brasilianierin mit roten und gruenen Strichen im Gesicht, will wissen, ob ich Spanisch verstehe und erklaert mir dann auf Portugiesisch, dass sie weiss, dass ich ausgraubt wurde. Leo habe das erzaehlt. Und jetzt: Party!

Freundschaft, sagt der Inder, und ist das nicht seltsam oder wunderbar oder beides, Freundschaft sagt der Inder, beginnt immer mit Belanglosigkeiten.

Es ist noch nicht einmal Mitternacht. Morgen fahre ich weiter. Mal schauen ob da draussen irgendwo Bolivien ist.

4 Responses to “Das Spiel”

  1. Frank sagt:

    Also langweilig ist die Tour nach nun nicht wirklich;-)

    LG Frank

  2. herr grimo sagt:

    Hi Frank,
    langweilig? Wie kommst du denn da drauf? Das einzige was fehlt ist ein kompetenter Philosophierpartner fuer eventuelle Dachterassen. 🙂
    Gruss, G.

  3. frank sagt:

    ich freue mich darauf
    lg frank

  4. […] ein junges, sehr partyfreudiges Publikum und wer absolute Ruhe finden will, ist hier falsch, denn eigentlich ist jeden Abend im großen Saal mit dem langen Tresen und dem Billardtisch was los. Aber das Loki ist sehr sauber, was man schon daran erkennt, dass ständig irgendwo geputzt wird. […]

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