grimo auf reisen

die welt liegt uns zu füßen

Drei Tage Dresden

Nachtrag vorweg: Wer von Berlin nach Dresden fährt, sollte den Eurocity nehmen. Denn der EC ist eine Zeitreise für sich. Langsam ist der Zug vor allem, weil der Zustand der Strecke urst übel ist. Aber der EC ist vor allem ein Erlebnis, weil er von der tschechischen bzw. der ungarischen Bahn betrieben wird. Und das heißt: alte Abteilwaggons und vor allem ein Speisewagen, wie ihn die Bahn AG nicht einmal in ihren Oldtimerzügen noch hinbekommen könnte. Die Kellner sehen so aus, als ob sie Kellner ist osteuropäischen Speisewagen spielen würden. Perfekt bis zum zerstrubbelten Haar. Und auch dieser seltsame Geruch – ja, da muss wohl in der Küche tatsächlich jemand heimlich geraucht haben – wäre in allen Fahrzeugen der Bahn AG undenkbar. Genauso wie das Speisenangebot: Wir hatten ungarisches Gulasch, Palatschinken und tschechisches Bier. Was will man mehr? Nun, vielleicht einen Speisewagen der tschechischen Bahn. Denn da, so sagte der unser Tippgeber, da sei das ganze Angebot noch besser.

Dresden also. Freitag bis Sonntag. Drei Tage zur Annäherung an eine seltsame Stadt. In der man selbst als überzeugtester Gegner der disneyländischen Rekonstruktion untergegangener Prachtbauten sehr bald begreift, warum es den Dresdner so wichtig war, die Frauenkirche wieder aufzubauen: nicht nur, weil sie tatsächlich architektonisch überzeugt, schon weil sie innen doppelt so groß wirkt wie von außen. Sondern ganz einfach, weil es nicht nur darum ging, diese eine Kirche als Symbol wiedererstehen zu lassen. Sondern weil in Dresdens Altstadt versucht wird, eine komplette Stadt zurückzufinden. Was bei den auch 65 Jahre nach Kriegsende unübersehbaren Wunden in der Stadt durchaus verständlich ist.

Das Zurückfinden gelingt manchmal ganz gut. Dort etwa, wo moderne neben historisierender Architektur zu finden ist. Und manchmal gelingt es weniger. Etwa an der Prager Straße, an der das zu DDR-zeiten gebaute, einst den Stadtraum prägende Rundkino heute zur Hinterhofbüchse plumper Einkaufszentren verkommen ist. Aber alles in allem scheint dieses Nebeneinander von alt, neu, neualt und altneu zu funktionieren.

Auch weil es neben dem von Touristen völlig überlaufen Altstadtviertel noch die Neustadt gibt. Und hier vor allem die äußere Neustadt, in der sich das bunte Dresdegn wiederfindet. Der Berliner fühlt sich dort an etwas erinnert, auch wenn er sich nicht so ganz sicher ist an was: Kreuzberg? Oder doch Prenzlauer Berg der 90er Jahre? Oder eher Friedrichshain? Sicher ist: das Altbauviertel wirkt lebendig. Lebendiger als all die glattsanierten Altbauquertiere im Berliner Osten. Und man sieht den Unterschied schon an den Leuten auf der Straße. Die Punkquote ist unübersehbar überdurchschnittlich.

Und sonst: 18 Grad, Mitte November. Sonne, tiefstehend, aber pur. Ein Besuch im Albertinum, wo vor allem die Skulpturenhalle, weniger jedoch die hoch gepriesene, aber doch sehr überschaubare Sammlung mit Bildern von Gerhard Richter überzeugte. Ein Gang durchs Hygienemuseum mit einer überzeugenden Ausstellung zu „Was ist schön?“ Und ein kleiner Ausflug mit der Standseilbahn ins Nobelviertel „Weißer Hirsch“, der fast schon wegen der Standseilbahn lohnt. Wer sich jedoch die Promenade durchs Villenviertel oben auf dem Elbhang entgehen lässt, verpasst etwas.

Und ganz toll: Friedrich, der Gebissene! 101_0250.JPG

Vorbemerkung hintendran: Ja, wir haben nicht nur im Zug gegessen. Allein unsere Versuch im Ort waren nicht so ganz geglückt. Im „Lila Soße“ im Kunsthof an der Alaunstraße bestand die „neue deutsche Küche“ aus sehenswerten Einweckgläsern, die kleine warme oder kalte Speisen enthielten. Die allerdings ließen geschmacklich doch sehr zu wünschen übrig. Die Zutaten standen vom Geschmack her auf der Zunge seltsam kontaklos nebeneinander. Schade. Immerhin, der Nero d’Avola war okay. Am zweiten Abend haben wir einen Vietnamesen im „Kneipenviertel“ an der Weißen Gasse probiert. Der Kellner war unfreundlich, das Essen fad. Die Umgebung offensichtlich auf Touristen ausgelegt. Aber wir hatten Hunger vor dem anstehenden Theaterbesuch. Optisch gelungen ist immerhin das Cafe Central in einem der sozialistischen Prachtbauten am Altmarkt, mit geschwungener Treppe etc.

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