grimo auf reisen

die welt liegt uns zu füßen

Ein Traum von einem Salat

Herr Grimo ist schon ein wunderbar schräger Typ. Zumindest wenn er erstmal sein Jackett abgelegt hat, das graue. Und die dazu passenden Hosen auf den Bügel im Schrank drapiert. Dann fühlt er sich fast schon wie ein Punk. Die strubbeligen Haare könnten ein wenig rot schimmern, abstehen wir ein Iro, zumindest meint Herr Grimo das, wenn er selbstverliebt vor dem Spiegel steht. Also dass man das so sehen könnte, wenn man nur wollte. Und Herr Grimo will. 

Dabei steht er gerade gar nicht im Bad, sondern in der Küche. Und einen Spiegel gibt es schon gar nicht. Nur eine beige Plastikschüssel. Er führt nochmal eine Runde im Tomatensalat, gibt noch eine Prise Pfeffer hinzu, probiert eine Scheibe, ja, rührt, probiert nochmal, auch von den schon fast tranig im Öl schwimmenden, eher ertränkten Salatblättern, ja, doch, also Öl zumindest ist genug dran. Er nascht noch eine Tomate.


K.’s Mutter hat die Gitarre geholt. Sie sitzen auf dem Sofa und zwitschern. Three Little Birds, vom großen Bob . Dem mit den Rastalocken, auch so ein Punk, wie er, wie Herr Grimo, wenn er mal den Anzug ablegt. Singin‘ sweet songs, singin‘ this is my message to youhuhu! 


Die beiden können das gut. Dass heißt, eigentlich zupft ja nur die Mutter an den Saiten. Und singt. Seine Freundin lacht nur. Seine Freundin. So nennt er K. Darauf haben sie sich geeinigt, als sie beschlossen hatten, jetzt Freunde zu werden. Statt rumzuknutschen. Was ja auch irgendwie unpassend war. Er, der Punk mit dem roten Iro. Sie die junge Antifaschistin. Das würde schon gehen. Wenn er denn Punk wäre mit rotem Iro wäre und nicht nur sein graues Jackett an den Nagel gehängt hätte. Genauer gesagt: an die Garderobe draußen im Flur. 


Immerhin das mit dem Knutschen hatte er aufgegeben. Und war dann doch mit zu ihrer Mutter gefahren. Ist das nicht auch Punk? Also irgendwie? Wirklich lecker diese Tomaten. 
Don’t worry, ‚bout the things, ‚cause every little thing, is gonna be allright, singen die drei kleinen Vögel. Singt die Mutter von K. Singt Herr Grimo lauthals mit, also im Kopf zumindest. Er würde ja gern, aber er ist ja hier nicht zuhause. Und es ist der erste Besuch bei K.’s Mutter. 


Er probiert noch ein Stück dieser köstlichen Tomaten, die er in ihrem Auftrag rührt. Watchin‘ the rising sun. Wirklich lecker. Die beiden Frauen lachen auf dem Sofa. Herr Grimo schmatzt im Rhythmus, rührt, probiert, genießt, fühlt sich angekommen, ist es auch, don’t worry, ‚bout the things, spießt das letzte Stückchen Tomate zusammen mit einer Zwiebelscheibe auf, die in der Soße schwimmt, ‚cause every little thing, is gonna ne allright, ja, der konnte schon was, der Bob, und K.’s Mutter auch, nicht nur singen, auch ihre Salatsoße, die er jetzt noch untergerührt hat, wirklich lecker, zu köstlich. 


Gerade will er die Schüssel an den Mund setzen, um die restlichen Tropfen zu trinken, so wie der Herr Oppermann das immer gerne macht, es soll ja nichts verschwendet werden, da fällt ihm ein, ja auf, das hier gar nichts allright ist, sondern er vielmehr ein ziemlicher Schussel. Die Schüssel, leer. Er hat den ganzen Salat weggefuttert, leise mitsummend die Zwiebel gekaut, gedankenverloren die trutschigen Salatblätter den Gaumen herunter rutschen lassen. 


Und jetzt? Jetzt ist es viertel vor acht, die Geschäfte haben längst zu hier im Dorf. Die Mutter hört gerade auf zu klampfen, die drei kleinen Vögel haben ausgezwitschert, one of these mornings, K. lacht, noch lacht sie, gleich werden sie kommen, um die Schüssel zu holen, den Salat, das Abendbrot, dann wird auch K.s Stiefvater da sein, er wird ihm die Hand reichen, reichen müssen, er der Oberschussel, was für ein Punk. 




Und dann wacht er auf und liegt in Portugal. Watchin‘ the rising sun. Schweißgebadet.

 

(Herr Grimo ist jetzt eine Kunstfigur. An dieser Stelle zumindest. Pierre und Herr Oppermann haben gesagt: schreib das auf, mach ein Buch und lass Herrn Grimo die Hauptfigur sein. Und nun? Nun habe ich den Salat und träume davon. Also aufschreiben? Ja, aufschreiben, auch wenn es surreal ist, vielleicht sogar deshalb. Denn Herr Grimo ist ja eine literarische Kunstfigur, allenfalls inspiriert von einer Wirklichkeit. Er hat nichts mit mir zu tun, auch wenn Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen durchaus nicht zufällig sind.)

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