grimo auf reisen

die welt liegt uns zu füßen

Marrakesch, der wunderbare Sound einer Stadt

Irgendwann ist es nicht mehr zu überhören. Etwa wenn man morgens noch im Bett liegt und man einen dieser Rufer hört. Nein, nicht den Muezzin, sondern die Männer, die durch die engen Gassen der Medina ziehen, einen Handkarren schieben oder ein altes Fahrrad und dabei stets die selben ein, zwei arabischen Wörter rufen.

Einen von ihnen habe ich später in der Seitengasse einer Seitengasse, dort wo sich sonst kein Tourist hinverirrt, es sei denn, er hat.sich verirrt, dort wo die Marrakchis gern den Weg weisen, ohne gleich ein paar Münzen dafür zu wollen, dort wo dir das junge Mädchen mit den noch jüngeren Geschwistern an der Hand rät, noch bis ans Ende einer anderen Sackgasse zu gehen, weil es da schön sei, besonders schön, wo dann unter einer ganzen Reihe einfacher und einfach wunderbarer Ziegelbögen ein alter Mann auf Pappkartons schläft, der hochschreckt, aber dann doch freundlich grüßt.

In diesen Seitengassen der Seitengassen, die häufig kaum breiter als zwei Meter sind, da haben ich einen, ja vielleicht auch meinen Rufer getroffen. Zumindest klang er genau so wie der, den ich morgens vom Bett.aus gehört habe. Er hat Fische verkauft, die er in einer mir Eisstücken gefüllten Plastikkiste auf seinem Gepäckträger mit sich führt. Sardinen, sagt der hagere Alte und lächelt, auch weil gerade die Tür eines der wie alle anderen auch rot gestrichenen Häuser aufgeht und ein Mann ihm ein paar Fische abkauft.

Aber es geht mir gar nicht um diesen Fischverkäufer und sein Rufen. Es geht mir vielmehr um das was fehlt, zum Glück so sehr fehlt, dass die Rufe dieser Straßenhändler tatsächlich das einzige Geräusch hier sind. Außer es toben ein paar Kinder in den Gassen. Außer es streiten erregt ein paar Marokkaner ein paar Häuser weiter. Außer es hat sich doch mal ein knatterndes Moped in die Gassen verirrt. Aber ansonsten herrscht Ruhe, liegt eine unglaubliche Stille über der Medina dieser Millionenstadt.

Denn Autos passen hier nicht rein, haben keinen Platz in den Gassen, müssen draußen bleiben!

So hat sich dank und mit der mittelalterlichen Stadtstruktur ein autofreies Zentrum erhalten, in dem Eselkarren noch immer das praktischste Transportmittel sind. Und der Sound dieser Stadt besteht vor allem aus menschlichen Stimmen, auch in den übervollen Hauptgassen ist das nicht anders. Dort ist es zwar deutlich lauter als in den Seitensträßchen, in denen sich die Wohn- und Gasthäuser verstecken, aber auch hier bestimmt die menschliche Stimme, das anhaltende Gerede, die immerwährende Aufforderung an den westlichen Passanten, in ein Geschäft, ein Restaurant oder ein Café zu treten, die Soundkulisse.

Wie wunderbar das ist, fällt einem eigentlich erst dann auf, wenn man den Rand der Medina kommt, dort wo sich schon wieder Straßen durch die Altstadt ziehen, mit Autos und Bussen, Motorbrummen und Abgasen – so wie in allen anderen Städten der Welt auch.

Das ist vielleicht die wunderbarste der vielen Einmaligkeiten, dieser grandiosen und grandios großen Altstadt. Dass ihr etwas sonst viel zu allgegenwärtiges fehlt. Und dass man wieder hören kann – meistens eben nichts als Stille.

Außer nachts natürlich, auf der Djemma el Fna, auf dem zentralen Platz, aber das ist eine andere Geschichte.

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