grimo auf reisen

die welt liegt uns zu füßen

Nazareth, zwei Original-Verkündigungsorte und das Wunder der Graffiti-Wand

Nazareth, sagt der Reiseführer, gebe nicht viel her. Außer den Kirchen. Doch wie unrecht er hat. Da ist zum Beispiel der unscheinbare Falafelladen, ein paar Meter oberhalb der Weißen Moschee, in dem ein freundlicher älterer Herr nicht nur die würzigsten Falafelbällchen der bisherigen Reise anbietet, sondern auch noch ein saftig im Öl triefendes Humus, das allein die einstündige Fahrt durch den hügeligen Norden Israels wert gewesen wäre. Und in dessen buntes Plastikambiente wir nur geflüchtet sind, weil es zum Glück mal wieder anfing zu regnen. 

Und dann gibt es, da hat er recht der Reiseführer, tatsächlich noch die Kirchen. Also die eine vor allem. Die Verkündigungskirche, an exakt ganz genau der Stelle, an der vor gut 2.000 Jahren der Erzengel Gabriel erschien, um Maria über ihre Schwangerschaft aufzuklären, darüber dass es ein Sohn werde, und dass sie ihn Jesus nennen solle.
Das klingt für heutige werdende Eltern recht praktisch. Schwangerschaftstest, Geschlechtsbestimmung und Namensfindung in einem. Kein Wunder, dass das Ereignis bis heute in Erinnerung blieb. Weltweit.
Draußen auf dem Hof hängen in einem Säulengang unzählige Darstellungen der Szene. Aus Spanien, China, Chile, Polen, Deutschland, Italien, Vietnam und so weiter. Maria, die je nach Herkunft mal sehr blond, mal dunkelhäutig aussieht, dazu das Kind auf ihrem Schoß, das manchmal tatsächlich neugeboren, manchmal fast schon sehr erwachsen, ja alt wirkt. 
Drinnen läuft gerade das Ende einer Messe. Auf Latein wird das Ave Maria in einer Art steinernen Krippe gebetet. Und dann Oh du fröhliche gesungen. In einer italienisch klingenden Fassung. 
Die Kirche selbst ist ein Gewitter aus Beton. In Reiseführern kommt sie nicht so gut an. Und in meinem Reisegrüppchen stößt diese Form der repräsentativen Architektur auch nicht gerade auf Begeisterung. 
Anders als die andere Verkündigungskirche, die ein paar hundert Meter weiter oben an dem anderen, absolut authentischen Verkündigungsort steht, aber von der griechisch-orthodoxen Kirche betrieben wird. Da gibt es flackernde Kerzen, Heiligenmalerei mit Patina, schiefe Holzbänke und am Ende eine kleine Quelle, also den Brunnen, an dem Maria den Engel traf. Nach der Besichtigung gilt die mittlerweile weltweit gültige Museumsregel: Exit through the gift shop. Wer raus will, muss sich also an den käuflich erwerbaren Heiligenbildchen vorbeidrücken. Zum Glück sind die hier nicht so schön kitschig, dass man auch ohne wieder bis zum gigantischen Weihnachtsbaum auf dem Platz vor dem Kirchlein gelangt. 
Auf dem Weg von der einen zur anderen Verkündigungskirche kommt man unweigerlich an einer Wand vorbei, auf der fein gemalte Graffiti das Leid der Palästinenser beklagen. Felix, der gerade ein Jahr in einem Kibbuz verbringt und somit der Ortskundigste unserer Reisegruppe ist, erklärt, dass diese Wand von der israelischen Verwaltung regelmäßig überstrichen wird, dass sie aber von der hier in Nazareth überwiegend palästinensischen Bevölkerung genauso regelmäßig wieder neu bemalt wird.
Und sonst: es ist Nebensaison. Das merkt man nicht nur am Januar-Regen. Auch viele der kleinen Läden im Souk sind geschlossen. 
Die Weiterfahrt dauert. Auf der Hauptstraße steht ein heftiger Stau. 

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