grimo auf reisen

die welt liegt uns zu füßen

Pailitas, Buñuelos, Api, Tojori und die drei Bolivianerinnen

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Diesmal muss es Api sein. Ich setze mich auf eine dieser niedrigen blauen Holzbaenke im comedor nocturno, dem abendlichen Speisesaal oben im ersten Stock der Markthalle von Sucre. Hat man erstmal die Treppe zu diesem Ort gefunden, braucht man nur noch eins: den Mut zu essen, was auf den Tisch kommt, auch wenn man keine Ahnung hat.

Api, das hatten viele andere Reisende hier schon erzaehlt, muesse man probieren. Die junge Frau mit der Schuerze und dem weissem Koftuch holt einen Fuenf-Liter-Kanister unter ihren Geschirrtuechern hervor und schenkt ein: ein zaehes, dickfluessiges, rotes Getraenk. Dazu nehme ich ein Pastel, ein halbmondfoermiges, tellergrosses Gebaeck, das ein wenig an die heissen Luftbrote erinnert, die man in indischen Restaurants bekommt. Nur dass  Pastels weder heiss sind, noch zusammensacken, wenn man reinpiekt, denn sie sind trocken und fest – aber innen hohl.

Neben mir sitzen drei Bolivianerinnen. Die Erste schuettet reichlich Puderzucker aus einer Dose aus ihr Pastel. Die Zweite auch. Die Teenagerin telefoniert.

Macht man das so?, frage ich.

Ja, sagt die Erste, und dann beisst man nicht rein, sondern bricht sich ein Stueck ab. Die Zweite sagt nichts. Die Teenagerin mit dem Handy am Ohr kichert.

Aha, sagte ich und mache es ihr nach. Dazu nehme ich einen Schluck  Api. Es ist warm und schmeckt wie Weihnachten.

Das wird aus gemahlenem Mais gemacht, sagt die erste Bolivianierin. Die Zweite sagt nichts. Die Teenagerin mit den buntlackierten Fingernaegeln kichert.  Dazu kommt Zimt, sagt die Erste. Und Nelken, sagt die Zweite. Weisst du das etwa nicht?, will die Teenagerin wissen.

Nein, bei uns gibt es das nicht, antworte ich.

Waaas, echt nicht?, wundert sich die Teenagerin ohne ihr Handy zur Seite zu legen.

Wieso ich denn dann ausgerechnet Api trinken wuerde?, will die Erste wissen.

Weil ich gestern schon mal hier war, erklaere ich, und da habe ich schonTojori getrunken, auch ein dickfuessiges, warmes Getraenk. Es kam mir fast wie eine Suppe vor, sage ich. Dazu hatte ein Buñuelo gegessen, eines dieser krapfenartigen, runden Teigstuecke.

Eine Suppe!, sagt lachend die Erste. Die Zweite sagt nichts.

Waas, wirklich wie eine Suppe?, sagt die Teenagerin mit erstauntem Gesicht. Und dann will sie wissen, warum ich gleich an zwei Abenden hintereinander hier in die Markthalle komme.

Weil es mir hier gefaellt!, antworte ich.

Waaaaaas??, sagt die fassungslose Teenagerin und legt jetzt sogar ihr Handy zur Seite. Warum das denn?

Weil es hier so viele Dinge gibt, die ich nicht kenne, erklaere ich. Und weil es mir Spass macht, zu sehen, was die Leute hier so essen.

Waaas?, fragt die fassungslose Teenagerin, Tojori gibt in deinem Land auch nicht?

Was ich denn gestern gessen habe, will die Erste wissen.

Pailitos, anworte ich.

Jaha, lacht die Erste. Die Zweite laechelt. Die Teenagerin strahlt.

Ich hatte keine Ahnung, was das ist, also habe ich es bestellt, erzaehle ich weiter. Es kam ein Teller mit Reis und etwas Salat, darauf ein Stueck gebratenes Fleisch, darauf eine gebratene Wurst und ganz oben  eine frittierte suesse Bananenscheibe. Das bekommt man hier oben im Comedor an fast allen Staenden, die alle aus einem blauen Tisch bestehen, an dem man sizten kann. Vor Kopf steht dann eine Frau und bereitet das Essen auf einer heissen Platte frisch zu.

Hast du denn schon Chorizo probiert?, will die erste Bolivianerin wissen. Die Zweite guckt interessiert. Die Teenagerin spielt mit ihren Fingernaegeln.

Hier nicht, nur in Tarata, sage ich.

Waaas? Noch kein Chorizo in Sucre? empoert sich die Teenagerin.

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Das ist hier viel besser, das musst du probieren, betont die Erste.  Morgen mittag unten in der Markthalle. Frag, wo es die Chorizos de los 7 Lunares gibt!, ordnet sie an. Und ob ich schon die Platte mit gekochtem Ei gehabt haette, die es hier zum Fruehstueck gebe.

Nein, sagt ich bedauernd.

Die Erste schuettelt mit dem Kopf. Die Zweite auch. Die Teenagerin kriegt sich gar nicht mehr ein. Das musst du unbedingt probieren, morgen frueh, unten in der Markthalle, ordnet die erste an.  Ob ich denn wenigstens schon Salteñas am Vormittag gegessen haette, will sie weiter wissen.

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Ja klar, kann ich antworten und bin froh, endlich schon mal was richtig gemacht zu haben.  Diese leckeren, leicht suesslichen Teigtaschen mit  Fleisch- oder Huhnfuellung, darf man auch wirklich nicht verpassen. Also, fasse ich das frisch Gelernte zusammen, zum Fruehstueck einen Teller mit hartgekochtem Ei, am Vormittag Salteñas, zum Mittag dann Chorizo de los 7 Lunares. Und was isst  man Nachmittag?

Am Nachmittag?, die Erste ist ratlos. Die Zweite schuettelt schweigsam den Kopf. Die Teenagerin weiss auch nicht so recht. Ach doch, sagt sie dann, vielleicht einen Saft. Oder einen Fruchtsalat. Beides gibt es, na klar, das habe ich schon gesehen und probiert, unten in dieser wunderbaren Markthalle.

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Und abends, was muss ich abends essen?, frage ich, wo ich schon mal dabei bin.

Pollo!, antwortet die Erste. Die Zweite nicht. Ja, pollo a la brasa, kreischt die Teenagerin, das gebe es, nein, nicht hier in der Markthalle, sondern in der Huehnerbraterei, gleich gegenueber von meinem Hostal, da, wo der Besizter dank seines Schnurrbartes so aussieht, wie diese weltweit bekannte Comicfigur, ob ich die nicht kennen wuerde, die muesse ich doch kennen.

Ich weiss nicht, wen sie meint.

Die Teenagerin ist fassungslos ueber diesen ahnungslosen Reisenden aus einem wirklich fremden Land.

Dann gehen die Drei. Die Erste wuenscht mir eine gute Reise. Die Zweite nickt stumm. Die Teenagerin strahlt mich an und klimpert nochmal mit ihren gepunkteten Fingernaegeln.

Mir bleibt nur noch , die Rechnung zu zahlen. Ein Api und ein Pastel, macht 4,50 Bolivianos, also etwa 50 Eurocent. Ich werde wiederkommen. Morgen schon, ja morgen schon. Chorizo probieren, Salteñas, Fruchtsaefte. Und abends dann nochmal Api. Oder Tojori. Die Entscheidung wird schwer.

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3 Responses to “Pailitas, Buñuelos, Api, Tojori und die drei Bolivianerinnen”

  1. […] Die Frau, die mir in der Markthalle Api verkauft, dieses warme Getraenk aus Mais, anders als in Sucre aber nicht pur, sondern halb und halb, zur einen Haelfte rot und zur anderen Haelfte weiss, was […]

  2. […] Stadt mit der eindrucksvollen kolonialen Architektur, dem sehr schönen Friedhof und der mir ans Herz gewachsenen Markthalle habe ich in dem wirklich ausgezeichneten Hostel Kultur Cafe Berlin geschlafen, dass der Karlsruher […]

  3. […] Genau wie -> Api ein warmes, süßliches Getränk aus Mais, allerdings ohne die Gewürze. Findet man zum Beispiel in der Markthalle von -> […]

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