grimo auf reisen

die welt liegt uns zu füßen

Paris: Die Silvesterhocker

Paris ist wunderbar. Aber wem muss man das sagen? Alle, die da waren, wissen es selbst. Und alle, die noch nicht da waren auch, weil alle, die da waren, ständig davon schwärmen. Und die deshalb immer wieder mal hin müssen. Diesmal hatten wir drei Nächte. Ein Kurztripp über Silvester an die Seine. Denn ist die Stadt eigentlich jedesmal anders. Obwohl sie sich gar nicht so schnell verändert. Verglichen mit Berlin jedenfalls nicht. Aber ich war jetzt zum fünften mal da. Und jedesmal hatte ich den Eindruck, dass sich die aktuell besuchten Teile kaum mit den zuvor besuchten überschneiden. Schön. Sehr schön.

C’est frois!

Und kalt. Sehr kalt. Das heißt, so kalt nun auch wieder nicht. Immerhin hatte es gut 3 bis 5 Grad. In Berlin war es bei unserer Abreise rund 15 Grad kälter. Das merkt man schon deutlich. Vor allem in den Restaurants. In den Cafés. In den Bars. In den Imbissen. Eigentlich überall, wo man sich mal nett hinsetzen will, um sich bei einem Kaffee aufzuwärmen. Denn überall zieht es. Die Türen sind undicht. Oder stehen gleich offen. Oder werden, falls sie mal einer tatsächlich schließt, unmittelbar vom nächsten wieder offen stehn gelassen. Eine Heizung scheint an solchen Orten eher unbekannt. Oder ineffektiv. Die Stadt und vor allem ihre Lokale sind einfach nicht auf lange kalte Winter eingerichtet. Überall gibt es nur Einfachverglasung.

Die Franzosen – oder auch die Touristen, die es den Franzosen gleich tun – gehenn dennoch gern in die Cafés. Aber sie sitzen eben nicht drinnen, sondern draußen. Vor der Tür. Oft hinter windabweisenden Plastikvorhängen. Aber eben draußen. Die Grund dafür ist einleuchtend. Dort ist der einzige warme Platz. Denn hier hängen die Heizstrahler dicht an dicht.

Se promener, se ballader

Spazierengehen. Eigentlich die beste aller Möglichkeiten in so gut wie jeder Stadt. In Paris aber bietet sich das umso mehr an. Denn die Stadt ist deutlich kleiner, als sie auf dem Stadtplan wirkt. Man kann wirklich recht zügig zu Fuß von einem Ort zum anderen gelangen. Wir hatten jedenfalls fast ein Problem, unser Zehner-Carnet für die U-Bahn im Laufe von drei Tagen aufzubrauchen. Dabei kostet das gerade mal 12 Euro, die einzelne Fahrt also gerade mal 1,20 Euro. Nicht zu vergleichen mit den Preisen mit S- und U-Bahn in Berlin. Und zudem kommen die Züge regelmäßig. Das ist man als Berliner ja schon gar nicht mehr gewohnt.

Und dennoch, für die Strecke von Belleville über den Canal St. Martin rüber zur Place der la Republique und durchs Marais bis zum Centre Pompidou gibt es nur einen Tipp:  Augen auf und schlendern!

Die Stadt der Liebe

Das erste Mal war ich mit etwa 15 in Paris. Auf dem Rückweg vom Atlantikurlaub hatten meine Eltern netterweise im Bois de Boulogne gecampt. Und so konnte ich den Eiffelturm sehen. Später hatte ich andere Interessen. Knutschen zum Beispiel. Ich war mit meiner damaligen Liebe morgens am Gare du Nord angekommen und wir hatten Zeit bis zum Nachtzug Richtung Süden. Die haben wir dann zum Knutschen genutzt. Auf der Wiese der Tuillerien. Ein junger Fotograf hatte dort die ganzen Pärchen abgelichtet. Uns auch. Ich dachte immer, eines Tages würde ich die zwei von damals als Postkartenmotiv wiederentdecken. Ist aber nichts draus geworden. Vielleicht lag es an dem Hippie-Henna-Rasta-Zopf, den ich damals noch trug. Wenigen Wochen später hatte ich ihn mir abgeschnitten, weil meine Liebste mich wegen eines anderen verlassen hatte, den sie auf dem Rückweg getroffen hatte – in Paris, der Stadt der Liebe.

Diesmal ist es zu kalt, um ausgiebig auf einer Parkwiese zu knutschen. Dafür stehen vor unserem Haus im chinesischen Viertel von Belleville Chinesinnen aufällig unauffällig in den Hauseingängen. Äußerlich haben sie nur wenig Ähnlichkeit mit ihren Arbeitskolleginnen die gerade in hautengen Skianzügen am Hackeschen Markt in Berlin stehen. Aber irgendwie erkennt man sie dann doch.

Und hinten, im Garten des auch wegen seiner Patina äußerst sehenswerten Musee Rodin, hat jemand der einen der beiden dort stehenden Skulpturen eine rote Rose in die klobige Hand gelegt. L’amour!

Die Touristen

Sich als Tourist über Touristen aufzuregen, hat immer etwas seltsames. Aber dennoch. Denn Paris hat unübersehbar ein Problem. Es ist zu attraktiv. Es zieht zu viele Menschen an. Selbst vor Notre Dame stand eine Warteschlange. Es hat zwar nicht ewig gedauert. Aber drinnen wälzten sich dann die Besuchermassen über den ausgeschildertn Rundkurs und blitzen eifrig die Priester, die gerade im Innenraum eine Messe zelebrierten. Andächtige Ruhe war hier jedenfalls nicht zu finden.

Auch nicht im Musée d’Orsay. Wer rein will, muss mindestens eine halbe Stunde in der Kälte anstehen. Und wer drinnen ist, muss sich vor den wichtigsten Werken nochmal durch die Menge quetschen, um was zu sehen. Auch hier ist kaum Raum, um mit der Kunst ein wenig in Einklang zum kommen. Schade, schade. Wenn das auch die Zukunft der Tourismusboomtown Berlin wird, dann …   Und wir sind ein Teil davon. Alles in allem doch sehr gern. Irgendwie aber auch wieder nicht. Mist.

Die Silvesterhocker

Dennoch zum Schluss noch der Geheimtipp. Für alle, die das Gegenteil vom Üblichen suchen. Paris ist die perfekte Stadt für alle Silvesterhasser. Weil es in den vergangenen Jahren häufig zu Ausschreitungen kam, hat die Regierung jegliches Feuerwerk verboten. Und offenbar halten sich die Franzosen manchmal sogar an das, was ihre Regierung beschließt – zumindest wenn zehntausende Polizisten aufgefahren werden.

Immerhin hat das den angenehmen Effekt, dass man am 31.12, und am 1.1. sorglos durch die Stadt schlendern kann. Und wenn man um Mitternacht hoch in den Parc de Belleville steigt, um von dort die Aussicht auf die Metropole zu genießen, dann sieht man zwar den Eiffelturm mit Glühbirnen geschmückt. Und hier und da steigt auch eine einzelne Rakete in den grauen Himmel. Aber ansonsten bleibt alles wunderbar entspannt.

Es soll aber auch Leute geben, die das langweilig finden.

Eins zumindest war unübersehbar. Die Pariser feiern Silvester irgendwo drinnen. Auch und gerade nach Mitternacht waren die Straßen so leer wie sonst nie. Mag sein, dass auf den Champs Élysées viel los war. Dort war bereits am Nachmittag die Polizei aufgezogen, um einzelne Bereiche abzusperren. Aber ansonsten war es ausgesprochen ruhig. Im Laufe des Abends allerdings haben wir mehrfach Passanten mit einem Hocker unterm Arm gesehen. Offensichtlich auf dem Weg zu einer privat organisierten Feier, bei der es an ausreichenden Sitzgelegenheiten fehlt. Ob es die allgemeine Ruhe aber durch den diesjährigen Knallerausfall bedingt war, oder ob die Neujahrgelassenheit typisch französisch ist, lässt sich nicht sagen.  Um das herauszufinden, müsste man glatt nochmal hinfahren. Wunderbar!

Nachtrag 1: A. meinte, sie müsse ihren Vater als nächstes nach Paris schicken. Und dann solle der nochmal behaupten, Berlin sei dreckig.

Nachtrag 2: Nein, behindertenfreundlich ist die französische Hauptstadt leider nicht. Das wichtigeste Verkehrsmittel, die Metro, besteht ausschließlich aus verwinkelten Treppenverzweigungen. Da würde auch der ein oder andere Aufzug nichts nützen. Sie hat Charme, die olle Metro, aber die Chance jemals rollstuhlfahrerfreundlich zu werden hat sie nicht.

Nachtrag 3:  Wir hatten ein privates Appartement gefunden über die sehr hilfreiche Seite airbnb.com. Sauber, zentral gelegen und dennoch abseits der großen Touristenströme. Und äußerst bezahlbar.

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