grimo auf reisen

die welt liegt uns zu füßen

Sai Gon

Der Sai Gon Fluss  Hochhaus in Saigon

Am Morgen weckt mich ein kraehender Hahn. Er muss hier irgendwo in dem Block seinen Stall haben. Mitten im Traveller-Viertel von Sai Gon. Ich bin in einem privaten Guesthouse gelandet. Unten im Erdgeschoss wohnt die Betreiberfamilie. Man durchquert erst das Wohnzimmer mit Stereoanlage, Fernseher und Internetcomputer. Vor dem zweiten Raum, in dem nahezu rund um die Uhr ein Aufpasser auf seinem Bastbett hockt oder liegt, geht dann die Wendeltreppe nach oben. Zunaechst fuehrt der Weg vorbei an einer kleinen Wandoeffnung, die zum einem Zwischenpodest im Wohnzimmer fuehrt. Dort schlaeft anscheinend der Rest der Familie. Manchmal sitzt da auch ein junges Maedchen am Computer. Oben gibt es dann auf zwei weitere Etagen verteilt nochmals vier Zimmer. Sie sind, wie das in Vietnam ueblich ist, so breit, wie das ganze Haus – also nicht einmal drei Meter. Ich wohne ganz oben. Der Blick durch die vergitterten Fenster geht auf einen tatsaechlich komplett bebauten Block. Es gibt keine sichtbare Luecke zwischen den Haeusern. Schon der Weg zum Guesthouse ist abenteuerlich. Von der Strasse fuehrt eine kaum einen Meter breite Gasse zwischen die Haeuser. Sie geht rechts und links an je fuenf offenstehenden Wohnzimmern vorbei. Mal sitzt da jemand und naeht, mal sieht man einen der ueblichen Haustempel, man spielen Kinder, mal wird gekocht, mal geschlafen. Ueber der Gasse draengeln sich Balkone und Erker, die jeweils bis auf ein paar Zentimeter den ganzen Raum fuellen. Das sind offenbar die ueblichen beengten Wohnverhaeltnisse hier in Saigon. Privatheit scheint hier unbekannt.

Blick aus dem Guesthouse-FensterDafuer ist es erstaunlich ruhig. Denn ansonsten tobt hier um alle Bloecke das Motorbikeleben. Jede Strassenueberquerung als Fussgaenger grenzt an ein Wunder. Und wer durch die Stadt geht, muss viele Strassen queren. Aber das tun offenbar nur die Touristen. Die Einheimischen sieht man praktisch nie ohne ihr Motorrad. Und wenn sie es doch mal gerade irgendwo geparkt haben, dann tragen sie immer noch ihren Helm. Konsequenterweise sind Buergersteige hier aehnlich wie in Hanoi in der Regel Bike-Parkplaetze. Der Laerm ist unglaublich. Das ganze stresst enorm. Ich fuehle mich, als braeuchte ich jetzt dringend mal Urlaub.

Und dann ist Saigon natuerlich noch eine Weltmetropole. Der Aufschwung ist unuebersehbar. In der Altstadt werden gerade gleich mehrere Hochhaeuser aus dem Boden gestampft. Dazwischen stehen noch ein paar Reste der Kolonialarchitektur. Mal sehen, wie lange sie noch bleiben. Louis Vitton und aehnliche Nobelmarken haben hier ihre entsprechend aufgedonnerten Stadtfilialen. Und man darf sich ausnahmsweise mal fast sicher sein, dass die angebotenen Dinge dort, keine billigen Nachahmungen sind.

Sai Gon, der Fluss, der die gleichnamige Stadt durchfliesst, ist eine zaehfluessige braune Suppe. Es stehen riesige Schiffe am Pier. Im Hintergrund stehen die dazugehoerigen Ladekraene. Ganz hinten noch ein paar Hochhaeuser. Und am Ufer gibt es ein paar Cafes. Sie sind leer am Nachmittag. Es ist auch fast unemoeglich dahin zu kommen. Man muss eine etwa achtspurige Strasse ueberqueren. Der Verkehr fliesst ohne Unterbrechung. Ein paar Meter weiter an dieser Strasse liegt das Hotel Majestic, ein ueppiger Kolonialbau. Darin soll Graham Greene seinen Roman „Der stille Amerikaner“ konzipiert haben. Es muss sehr lange her sein, dass jemand in dieser Gegend das Wort „still“ ueberhaupt nur gedacht hat.

Das Travellerviertel liegt etwas suedlich von der Altstadt. Hier steigen die meisten Backpacker ab, weil sich die guenstigen Hotels und Guesthouses an wenigen Strassen draengeln. In nahezu jedem Haus kann man unterkommen. Sogar die Apotheke vermietet Zimmer im Haus. Ansonsten ballen sich hier Laeden mit dem speziellen Angebot fuer die Rucksackreisenden. Es gibt Bier und Pizza und Pasta. Und wenn man in einem Cafe nach einem ca phe sua da fragt, wird man bloed angeguckt. Erst wenn man vietnamese coffee with milk bestellt, verstehen die einen.

Ich habe mir zur Entspannung eine Kokosnuss gegoennt. Die gibt es hier am Strassenrand, mit einem kleinen, frisch geschlagenem Loch oben drin, damit man die Fluessigkeit rausschluerfen kann.  Derweil rauscht der Verkehr weiter an mir vorbei.

Abends hab ich ein paar Essensstaende neben einer Markthalle in der Naehe gefunden. Die Nudelsuppe war diesmal offenbar mit Leberstuecken garniert. Hat zumindest so geschmeckt. An einem anderen Stand hab ich mir ein Gebraeu aus mehreren Dingen mit Eis mixen lassen. Eins der Dinge, sei Lotus, hat mir eine englischsprechende Vietnamesin am Nachbartisch erklaert. Fuer die anderen wusste sie nicht die englischen Bezeichungen. Lecker und gut.

Aber dennoch: Saigon duerfte kaum die Stadt meiner Traeume werden.

Dabei war Saigon mal ein mystischer Ort fuer mich. Als ich Kind war, kam es oft in den Nachrichten vor. Erst war Krieg, dann ging es um die Boatpeople. In meinem Ohr hat sich trotzdem der Klang des Namens festgesetzt, ein Faszinosum, lsogeloest von jeglicher Realitaet. Es ging mir da so aehnlich wie mit dem Wort Titicacasee. Nur als ich vor drei Jahren dort war, hatte sich das Faszinosum erhalten. Hier glaube ich kaum, dass es so bleibt.

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