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die welt liegt uns zu füßen

Salento: wo der Kaffee wächst

Jetzt regnet es also doch. Aber das macht mit gar nichts, denn ich sitze längst wieder auf der überdachten Terasse meines Hostels in Salento, der Blick geht auf die nebelverhangenen, aber unglaublich grünen Berge. Gerade trappelt ein Pferd vorbei. Im Fernseher läuft Radsport.

Um die Reise als anständiger Kolumbienbesucher beenden zu können, müsste ich unbedingt noch zur eje cafetero – der Achse des Kaffeeanbaus. Uriel, den ich gefragt hatte, welchen der vielen Orte hier, die sich zum Besuch einer Finca mit Kaffeeplantage er empfehlen würde, musste nicht lange nachdenken: Salento, sage er, das sei der Ort den ich suchen würde. Und der weltbeste Gastgeber Kolumbiens hatte natürlich wie immer recht.
Auch wenn die Anreise etwas aufwändig war: von Guatapé zwei Stunden mit dem Bus nach Medellin, durch die Großstadt per Metro vom Nord- zum Südbusbahnhof, dort in den Direktbus 8 Stunden nach Armenia und schließlich mit der lokalen Buseta nochmal eine Stunde rauf in die kleine Städtchen oder besser in das große, sehr schön gelegene Dorf – in den grünen Bergen.

Ich weiß, das mit den Bergen erwähnte ich schon, aber sie sind wirklich sehr grün. Tiefgrün. Saftig. Ein klares Zeichen dafür, dass es hier öfter regnet als im Rest des Landes. Oder wieder regnet, denn auch hier klagen die Bauern über die unübliche Trockenheit des letzten Jahres, verursacht durch das Klimaphänomen El Niño.
Heute morgen bin ich dann zur Finca gewandert. Eine Stunde lang, zunächst als Gratwanderung mir wunderbaren Ausblicken nach rechts und links – runter in die auffällig grünen Täler zwischen den – hatte ich das shon erwähnt? – sehr grünen Bergen. Und dann bergab bis zur Finca La Ocasa.

Die liegt am Hang (ja, auch hier alle sehr grün) und entpuppt sich zunächst als hübsches, toll gelegenes Haus mit rot-weißen Verandaumläufen, in denen man auch übernachten könnte. Ein Ort an dem man mindestens den Rest seines Lebens verbringen möchte. Wenigstens aber die halbe Stunde in der Hängematte, in dem kleinen überdachten Aussichtspunkt, von dem man die Augen über die ach so grünen Hänge …

… aber dann ruft schon Paula, die dann in der kommenden Stunde die fünf mittlerweile eingetrudelten BesucherInnen herumführen und erklären wird, wie hier mit großer Sorgfalt Biokaffee höchster Qualität angebaut wird.

Zunächst erläutert Paula ausführlich die Entwicklung des Kaffeeanbaus hier in Kolumbien, dem weltweit drittgrößten Kaffeeproduzenten. Sie zeigt ältere, baumhohe Pflanzen, die früher hier genutzt wurden, dann Beispiele für den Typus, der bis in die 70er Jahre vorherrschend war, dann aber Opfer eines bestimmten Pilzes wurde, der die Blätter verwelken lässt. Schließlich eine Neuzüchtung, die zwar erfolgreich dem Pilz widerstand und auch ertragreich war, aber insbesondere für die kleinen Kolumbianer unpraktisch, weil sie über zwei Meter hoch wird und sich die Beeren nur mit einer Leiter pflücken lassen. Und schließlich die heute gebräuchliche Pflanze der Sorte Arabica, die hier zwischen Schatten spendenden Palmen und Bananenstauden überall auf den Hänge stehen.

Paula gibt uns je eine reife, rote Kaffeebeere, lässt sie uns zerquetschen und später die beiden weißen Samen darin in die Erde pflanzen.

Nebenbei erklärt sie, dass es drei Jahre dauert, bis eine Pflanze erstmals blüht und dann auch Früchte trägt. Anschließend kann wird sie fünf Jahre lang zwei mal pro Jahr abgeerntet, wobei das dritte das ertragreichste ist

Anschließend wird die Pflanze bis auf den Stamm knapp über dem Boden zurückgeschnitten, kann dann nochmal fünf Jahre Früchte tragen. Nach einem dritten Durchgang mit nochmal vier bis fünf Erntejahren wird sie komplett entfernt, ein Jahr darf der Boden sich erholen, dann wird eine neue Pflanze gesetzt. Ein Zyklus von insgesamt 18 Jahren.

A trabajar!, ruft Paula dann, zur Arbeit!, und lässt uns allen mit unseren um die Häfte geschnallten Sammelkörbchen durch die Plantage streifen, um zu ernten. Nur die roten! Was nicht einfach ist, weil die Erntezeit gerade erst begonnen hat und die Pflanzen wegen der Dürre spät dran sind dieses Jahr.

Und dann kommt die größte Überraschung. Wir sollen die jeweils roteste Beere unserer spärlichen Ernte aufbrechen und dann den Saft zwischen der Schale und den beiden weißen Bohnen schmecken. Er ist zuckersüß! Unglaublich lecker. Ich frage Paula gleich, warum sie diesen Saft nicht verkaufen? Aber sie antwortet, das sei leider nicht möglich, da er schnell verderbe.

Dennoch, erklärt Paula, ist die Süße der hiesigen Beeren ein Merkmal für ausgezeichnete Qualität. Denn da wir uns auf über 1.800 Meter Höhe befinden, gedeihe der Kaffee hier besonders gut, habe besonders viel Zucker, der letztlich auch das Aroma des Kaffees präge und dürfe als Café de la Montaña vermarktet werden.

Sie zeigt uns noch die komplexen Verfahren, wie die Bohnen aus den Beeren geschält und dann – möglichst durch die Sonne in Treibhäusern – getrocknet werden, bevor sie mehrfach nach Qualität sortiert werden. Merke: zweitklassiger Kaffee ist für den heimischen Markt, die erst Wahl für den Export. Kein Wunder, dass der gewöhnliche Kaffee hier in Kolumbien nur mit viel Zucker trinkbar ist.

Wir bekommen zum Abschluss der Tour aber einen Kaffe erster Güte kredenzt. Per Hand aufgebrüht mit 96 Grad heißen Wasser – oder wie Paula sagt, wichtig ist nur, dass es noch nicht kocht, man es also gerade vom Herd nimmt, wenn die ersten Bläschen aufsteigen – das dann, ebenfalls ganz wichtig kreisförmig in den Kaffeefilter gegossen wird. Erst nur ganz wenig, so dass das Pulver gerade gut feucht ist. Den Rest des Wassers nach 20 Sekunden nachgießen.

Fertig.

Zucker braucht man für diesen Kaffee wirklich nicht. Erst schmeckt er mir fast ein wenig zu dünn. Aber dann merke ich tatsächlich das Aroma auf meiner Zunge, das mich sehr an die Süße den Saft der kurz zuvor probierten Kaffeebeere erinnert.

Schon toll.

Vor allem vor dem Hintergrund der grünen Ber…, ja, ich hör ja schon auf.

Auf dem Rückweg durch das Tal mit dem rauschenden Flüsschen treffe ich zusammen mit dem französichen Paar von der Fincatour auf eine Schülergruppe aus Armenia, die als Hausaufgabe für ihren Englischunterricht ein Video drehen müssen, in dem sie sich ein paar Touristen vorstellen und sie fragen, wo sie herkommen und was sie so machen. Das mit dem Englisch der Teenager hapert noch etwas, so dass wir erst verstehen, worum es geht, als ich auf Spanisch nachfrage. Aber dann wird es ein großer Spaß – und für einen Extraklipp antworten wir auch noch auf Französisch und Deutsch, in der Hoffnung, die zuständigen Lehrer zu beeindrucken.

Dann hält der Franzose seinen Daumen raus und tatsächlich nimmt uns prompt ein kolumbianisches Paar in seinem SUV die Serpentinen hoch nah Salento mit.

Und oben: ein freundliches Dorf mit Wochenendtrara für die aus den umliegenden Städten angereisten Kolumbianer. Ein Aussichtspunkt mit guter Aussicht. Ein Gitarrist auf der Terasse eines Restaurantes. Jede Menge Andenkenläden mit jeder Menge bunter Andenken, nur die Café-de-Colombia-Tassen, die ich gerne hätte, die gibt es nicht. Dafür aber eine gelbe Fussgängebrücke auf dem Weg zum Hostal.

Relajado.

Im Fernseher läuft immer noch Radsport. Über den Bergen donnert es. Dahinten bellt ein Hund. Die Glocken läuten ganz aufgeregt. Ich könnte jetzt noch einen Kaffee trinken.

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