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die welt liegt uns zu füßen

Santa Cruz, der Mann mit dem Schirm und der verkleidete Strand 

Santa Cruz de Tenerife hat zwei Sehenswürdigkeiten, die niemand verpassen sollte. Die zweite liegt ein paar Kilometer hinter der Inselhauptstadt, bei dem Örtchen San Andres, dessen Häuser den steilen Hang auf der linken Seite einer Bucht heraufwachsen. Die Bucht selbst beherbergt die Playa de Teresitas, den angeblich schönsten Strand der Insel. Man findet ihn in jedem Postkartenständer.

Was man auf den Bildern der Karten in den Ständern nicht sieht, sind die Ölbohrschiffe, die draußen auf dem Meer ankern. Lokalen Berichten zufolge wurde sie einst für umstrittene Probebohrungen genutzt, die zum Glück nicht auf ergiebige Quellen stießen. Jetzt warten sie auf Reparatur oder Renovierung im nahe liegenden Hafen von Santa Cruz. Und so lange sie dort nur liegen ohne zu qualmen oder ähnliches, stören sie vielleicht ein optimales Postkartenmotiv, sonst aber wenig.

Was man auch nicht sieht auf den ersten Blick: der Strand ist nicht echt. Zwar hat er anders als fast alle Buchten auf der Insel keinen schwarzen Sand, sondern leuchtend gelben, aber dass der tatsächlich eigens aus der Sahara herangekarrt wurde, darauf muss man erstmal kommen.

Letztlich ist die Playa de Teresitas somit nichts anderes, als ein reproduziertes und die lokalen Gegebenheiten ignorierendes, ja verleumendes Klischee. Sicherlich schön, gut schwimmen kann man auch. Aber dass ausgerechnet dieser Sandburg gewordene Traum omnipotenter Macker zum schönsten Strand einer Insel erklärt wird, die reich an Buchten mit wildem, sehr eigenem Charakter ist, sagt viel, sehr viel über internationale Tourismusmatketingstrategien aus.

Dass das Ganze dennoch wirklich hübsch aussieht, wenn sich dann auch noch ein Regenbogen auf den Himmel mogelt, bleibt davon unbenommen.
Das zweite Highlight der Stadt ist ein alter Mann mit Schirm. Er steht am Rande einer Brache direkt neben einem der unzähligen Kreisverkehre in Sichtweite des von Santiago Calatrava in seiner typischen Geschwungenheit geschaffenen Konzerthauses und rettet uns den Tag.

Denn wir sind schon einmal längs durch die Stadt gefahren, die komplette Küstenstraße samt Tunnel – vergeblich. Wir sind ein gute halbe Stunde quer durch die Gassen gekurvt – wieder vergeblich. Der einzige freie Parkplatz, der uns in irgendeinem Gässchen begegnete, war schlichtweg zu klein. Und in ein spanisches Parkhaus möchte ich seit meinen Erfahrungen letztes Jahr in Sevilla nicht noch einmal. Also was bleibt? Zurückfahren?

Ja, zurückfahren zu dem Kreisel mit dem alten Mann und seinem Schirm. Auch die dortige Brache ist zwar pickepackevoll gestellt mit Autos in allen Größen. Aber der freundliche ältere Herr lächelt, bittet um einen Euro und weist uns dann den Weg mit seinem bunten Schirm. Hier lang durch diese Gasse, dahinten vor dem LKW-Anhänger links, nochmal ums Eck und dann ganz hinten am Ende des Weges, vor dem verschlossenen Tor mit dem Parkverbotsschild. Hier? Ja, hier, sagt der Parkwächter. Und wenn der das sagt, dann muss das ja stimmen – auch wenn er offensichtlich kein „Offizieller“ ist.

Immerhin haben wir es ihm zu verdanken, dass wir gemütlich durch die Stadt bummeln konnten, einmal die Fußgängerzone rauf und wieder runter, wir durften in einem Café mit leckerem Kuchen stranden, das aussah wie eine antike Drogerie, deren alte Werbung (u.a. für Agfa-Rollfilme) noch draußen an der gekachelten Fassade zu sehen ist, und das sich beim Blick in den Reiseführer später als empfohlenes Café mit leckeren Kuchen in einer alten Drogerie entpuppte.

Über der ganzen Stadt lag ein Hauch von Müdigkeit. Kein Wunder, schließlich wurde hier in den Tagen zuvor ein gigantischer Karneval gefeiert. Santa Cruz rühmt sich – nach Rio versteht sich – den zweitgrößten Karneval der Welt auszurichten.

Ob das stimmt? Wer weiß. Aber immerhin, wenn man das weiß, erscheint es plötzlich dann doch ganz logisch, wenn sich gleich ums Eck eine Bucht eine Blondhaarperücke aufsetzt und als Karibikstrand geht.

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