grimo auf reisen

die welt liegt uns zu füßen

Santa Maria, Santa Teresa – die Erde geraet ins Rutschen

„Es peligroso?“ „Si, claro!“ „Como siempre?“ „Si, como siempre!“

Mireisende im Schlamm, unter dem einst die Straße nach Santa Teresa warPloetzlich springen fast alle Mitreisenden vor mir von der rechten Seite auf und schauen nach links aus den Fenstern. Ich auch. Aber da ist nichts. Kein Millimeter von der Strasse ist zu sehen. Kein Strassenrand. Erst Recht keine Leitplanke. Nur Abgrund. Vielleicht 300 Meter senkrecht ins Nichts. Vielleicht auch 500. Und der Busfahrer zieht das Fahrzeug noch weiter nach links. Die Mitreisenden zieht es unwillkuerlich wieder nach rechts. Weg von dem Abgrund. Wie um dem scheinbar vom Absturz bedrohten Bus ein wenig mehr Balance zu geben. Wie haben gerade einen 4300 Meter hohen Pass ueberquert. Und es hat nahezu ohne Unterlass geregnet. Auf dem Serpentinenweg hinauf konnte man alles paar Meter reissende Baeche sehen, die mehr senkrecht als waagerecht von den schneebedeckten Gipfeln ins Tal stuerzen. Und nun ist die Strasse versperrt, zumindest zur Haelfte durch einen Erdrutsch blockiert. Langsam zieht der Busfahrer daran vorbei. Noch viel langsamer loest sich die Spannung unter den Fahrgaesten.

Santa MariaNoch viel spaeter, als wir im naechtlichen Santa Maria hocken, ueber 3000 Meter tiefer als der Pass auf der Rueckseite der Anden gelegen, bei tropisch feucht-schwueler Luft unser Abendessen vertilgen, ist der kurze Schock nicht voellig ueberwunden. Dabei war es nur der erste auf diesem kostenguenstigen, vor allem aber abenteuerlichen und eindrucksvollen Umweg zu den Ruinen nach Machupicchu.

Am naechsten Morgen brechen wir gegen 5 Uhr auf in Richtung Santa Maria. Mit einem Minibus, in den der Eigentuemer fast 20 Fahrgaeste gequetscht hat – darunter auch den Belgier Val, sowie Meike und Birgit aus Deutschland. Die hatten wir erstmals schon in Chivay auf der Rueckreise vom Canon de Colca getroffen. Man ist hier halt im grossen und ganzen auf dem selben Weg. Dennoch ist in dem Minibus noch Platz fuer weiter Fahrgaeste, ein paar Einheimische, die unterwegs aufgenommen werden. Und als drinnen gar nichts mehr geht, klettern vier Jungen noch aufs Dach.

Vorher aber kommt der Zug von insgesamt drei Minibussen auf offener Strecke zum Stehen. Ein Erdrutsch hat jede Menge Geroell auf die Strasse befoerdert. Wir springen heraus, um ein paar Felsbrocken zur Seite zu raeumen, mit sorgenvollem Blick auf den nicht sehr haltbar wirkenden Hang ueber uns. Schliesslich entscheiden die Fahrer, dass es weitergehen koenne. Wir bitten darum, die Gefahrenstelle zu Fuss durchlaufen zu duerfen. Die Antwort lautet: „Rapido!“ Wie schnell man werden kann, wenn sich ploetzlich oben ein Stein loest und mit lauten Geklacker nach unten rollt, ist leicht vorstellbar.

Danach jagen die Busse die engen und matschigen Serpentinen hoch, rund 500 Meter hinauf bis nach Santa Teresa. Vorn sitzen ein paar Amerikaner, die urspruenglich darauf bestanden hatten, die Fahrt in Dollar zu zahlen und sich dann noch mit dem Busfahrer ueber den Wechselkurs gestritten haben. Die bringt offenbar nichts aus der Ruhe, sie knipsen froehlich aus dem offenen Fenster. Der Rest der Mitfahrer versucht jeden weiteren Blick in den Abgrund zu vermeiden.

Bis es dann gar nicht mehr anders geht. In einer engen Kurve vor uns hat ein reissender Bach die Strasse zum Teil weggerissen, zum Teil mit Schlamm ueberspuelt. Hier geht gar nichts mehr fuer die Busse. Zum Glueck ist es nur noch ein Kilometer zu Fuss bis Santa Teresa – und die Brocken, die sich ploetzlich von oben loesen, treffen auch niemanden.

Val macht Faxen am UrubambaNach dem Fruehstueck in dem kleinen Dorf stehen wir nun vor der Frage, wie weiter? Mit dem Taxi bis zum Wasserkraftwerk und von dort zu Fuss die restliche Strecke entlang an den Bahngleisen hoch nach Aguas Calientes? Oder die ganze Strecke wandern durch das wunderbare Tal des wild vor sich hinsprudelnden Rio Urubamba?

Die Seilbahn über den Rio UrubambaWir fragen mehrere Einheimische, ob man den Fussweg machen kann. Alle sagen etwas anderes. Schliesslich kommt es zum eingangs erwaehnten Dialog. Ja, sagt ein alter Campesino, natuerlich sei der Weg gefaehrlich. So wie immer.

Die Frauen unserer Gruppe nehmen ein Taxi. Die Maenner gehen die ganze Strecke viereinhalb Stunden zu Fuss. Und im Nachhinein hat sich jeder Meter davon gelohnt. Vor allem die Ueberquerung des Rio Urubamba in einer kleinen von Hand gezogenen Seilbahngondel gleich zu Beginn.

PS: Weil es gerade so schoen zum Thema passt: Hier das Interview mit Stefan Loose, dass heute in der taz erschienen ist.

4 Responses to “Santa Maria, Santa Teresa – die Erde geraet ins Rutschen”

  1. […] 2.3.2008: Santa Maria, Santa Teresa – die Erde geraet ins Rutschen […]

  2. […] 2.3.2008: Santa Maria, Santa Teresa – die Erde geraet ins Rutschen […]

  3. grimo sagt:

    für alle die mehr wissen wollen und spanisch lesen können:
    http://www.larepublica.com.pe/content/view/219411/30/

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