grimo auf reisen

die welt liegt uns zu füßen

Stillstand

Die Waende sind zartrosa gestrichen. Die Tuer ist grau, mit einem von Piet Mondrian geliehenen roten Quadrat. Die Bettdecke ist orangerot. Die Badezimmertuer gelb. Die Plastikfliesen auf dem Boden sind braun und beige. Das Hotel heisst Oro Blanco – weisses Gold.

Der dritte Tag in Uyuni. Ich muss mal raus, mich umschauen. Der Koerper will zum Glueck mittlerweile nicht mehr nur hauptsaechlich im Bett liegen. Die Stadt, das verkuendet jeder Reisefuehrer hat nichts zu bieten – ausser den Salar gleich nebenan. Den wollen alle sehen. Die Stadt sieht niemand.

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Die Reisenden konzentrieren sich auf wenige Blocks rund um die Plaza Arce. Genauer gesagt sogar nur auf die eine Haelfte der Plaza. Zwischen dem Bahnhof und dem Uhrturm, sind die ganzen Restaurants und Laeden mit dem Angebot fuer Touristen. Ein paar haben Tische draussen. Ein paar argentinische Hippies spielen Gitarre und Trompete – leider nicht wirklich gut.

Auf der anderen Seite des Uhrturms Richtung Kirche sitzen die Bolivianer in einer langen Reihe auf Baenken im Schatten. Hier ist schon nahezu touristenfreie Zone – ausser wenn mal ein paar Rucksacktraeger der Endstation der Busse kommen – dann muessen die hier durch.

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Uyuni ist tatsaechlich keine schoene Stadt. Sie hat das typische koloniale Schachbrettmuster. Die Strassen sind allerdings auffaellig breit. Und bestehen teils aus pruem Matsch, riesegen Pfuetzen, die Autos, auch in der Stadt meist mit Vier-Rad-Antrieb fahren nicht unbedingt auf der rechten Spur, sondern immer dort, wo man gerade am besten durchkommt, wo keine Pfuetze ist.

Selbst zu fuss ist man nach wenigen Minuten am Stadtrand, der wie mit dem Linial gezogen ist, die Stadt hoert einfach auf. Keine ummauerten Grundstuecke mehr, hinter denen sich Werkstaetten, halbfertige Wohnhaeuser oder auch mal gar nichts befindet. Hier liegen nur noch ein paar Hunde in der Gegend rum. Aber das tun sie in der Stadt auch.

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Es gibt mindestens drei Maerkte. Eine Markthalle zwei Blocks noerdlich der Plaza, in der es Gemuese und Obst und Kaese gibt. Das beste, offensichlich frischeste Obst aber seltsamerweise nur an den Staenden, die sich hinten links in einem Nebenraum verstecken. Dazu ein Markt mit festen Verlaufsbuden mit dem ueblichen Krimskrams von der Wasserflasche bis zum Handy. Und schiesslich bunte der Strassenmarkt vor der Markthalle, gross und lebendig, vollkommen ohne Lationokitsch und praktisch ohne auslaendische Besucher. Es gibt Toepfe und Teller, Schrauben und Hosen, Heilkraeuter fuer alles und jedes, DVDs von der Rally Dakar. Und supertolle Wischmops, die die Arbeit der Hausfrau erleichtern, wie der Verkaeufer anhand eines im Dreck auslegten Plastikboden demonstriert. Einer der Verkaufsschlager: Einlegesohlen aus dickem Filz, vier Paar fuer zehn Bolivanos. Ein dezenter Hinweis, dass es hier tataechlich deutlich kaelter werden kann, als derzeit.

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Laut einem oeffentlichen Temperaturanzeiger sind es heute 16 Grad. Doch in der Sonne sind es gefuehlt 5 bis 10 Grad mehr. Sobald sich eine wolke davor schiebt, kuehlt es aber deultich ab. 16 Grad, das duerfte so ungefaehr die Durchschnittstemperatur treffen.

Kurz vor dem Busbahnhof, steht ein Haus mit Garten. Darin steht ein Lama. Und drie Nandus laufen herum, einer mit einem fuerchtlich krummen Schnabel.

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Der Uhrtum zeigt immer kurz vor halb fuenf an. Die Digitaluhr an der Enhaltestelle der Busse steht konsequent auf 8:29 Uhr. Ihr Schwester an der Plaza Arce zeigt gar keine Uhrzeit an, nur krytische nicht entzifferbare Symbole. Die Zeit steht still.

Ich auch.

Ich bin langsam.

Ich muss mich immernoch erholen.

Ich finde keinen einzigen Laden in der ganzen Stadt, der Zeitungen verkauft.

Ich laufe um die grossen Pfuetzen drumherum.

Ich setze mich auf eine Bank.

Ich lese ein Buch.

Ich schaue den Leuten zu.

Ich sehe, alle Reisenden tragen Bart, ausnahmslos.

Ich treffe David wieder, er hat gute Laune, er hat eine Karte verkauft, eine. Ich spendiere ihm ein Eis.

Ich gehe ins Museum, dass laut Eigenwerbung erste Museum in Uyuni. Wahrscheinlich auch das einzige. Es fuellt einen rund 30 Quadratmeter grossen Raum. Es zeigt: Ein paar gesammelte Mineralien aus der Umgebung. Ein Skelettteil eines bis zu sechs Meter grossen Riesenfaultiers, das hier vor rund 10 Millionen Jahren gelebt hat. Die Geschichte und Entwicklung der hier lebenden Ureinwohner. Deren Tradition, die Koepfe von Kleinkindern durch Klammern und Abbindungen in die Laenge zu strecken oder ihnen die Stirn abzuflachen, weil das angesehen war. Ein paar aeusserst gruselige Mumien. Das Modell fuer einen neuen Busbahnhof in Uyuni.

Und dann faellt der Strom aus.

 

2 Responses to “Stillstand”

  1. […] im Hotel Avenida verbracht, in einem annehmbaren Einzelzimmer mit Gemeinschaftsbad für 40 Bs. Die drei Nächte zur Erholung nach der Magenverstimmung bei der Salar-Tour habe ich gegenüber im Hostal Oro Blanco geschlafen in […]

  2. […] kurz bleiben die Reisenden. Wenn man aber  – zum Beispiel wegen einer Magenverstimmung – doch länger bleibt, kann man wie überall interessante Menschen kennen […]

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