grimo auf reisen

die welt liegt uns zu füßen

Tarifa, tosend, tanzend

Manchmal treibt es Herrn Oppermann davon. Dann segelt er lächelnd fast ohne Einsatz der Arme über die Piste. Manchmal stöhnt er und es ist nichts zu machen. Er kommt nicht vom Fleck. Manchmal geht gar nichts mehr, weil der Sand das Gesicht malträtiert, sich in die Augen drängt, am Hals reibt, in die Ohren zieht.

Herr Oppermann hat eine App, die warnt ihn alle paar Stunden, dass jetzt gleich der Sturm beginnt. Jetzt aber wirklich. Dabei ist er längst da. Er peitscht das Meer auf die Felsen der vor Tarifa liegenden Insel, es spritzt bestimmt zehn Meter hoch. Es jagt über die Verbindungsmole, ein Auto wird fast weggewischt. Touristen stehen schräg im Wind und machen lustige Videos. Wir auch.

Wir haben hier eine sehr exquisite Wetterlage, auch dass verrät Holgers App. Über ganz Spanien scheint die Sonne zu scheinen. Auch über Marokko. Nur hier, an der Straße von Gibraltar, wo sich Atlantik und Mittelmeer küssen, wo sich Europa und Afrika Auge in Auge gegenüberstehen, da zeigt der Regenradar Wolken. Und wir sehen sie von unten.

Am Morgen bin ich hochgelaufen zum Miramar, einem Aussichtspunkt, den nicht die Spanier für die heutigen Touristen, sondern wahrscheinlich schon die Araber vor über 1000 Jahren genutzt haben. Die hatten hier im 10. Jahrhundert eine Festung anlegen lassen, vermutlich auf den Resten einer Anlage aus römischen Zeiten. Man hat hier eben die Meerenge fantastisch im Blick. Ein paar fette Schiffe ziehen vorbei. Unter den Wolken sieht man die marokkanischen Berge am gegenüberliegenden Ufer. Der Wind reißt mir den Rucksack von der Schulter. „Plazuela del viento“, steht auf dem Straßenschild. Plätzchen des Windes.

Am Nachmittag ziehe ich mit Herrn Oppermann los. Auf der Suche nach einem Laden mit Bocadillas. Auf der Flucht vor dem Regen. Erst durch die engen, verwinkelten Gassen der Altstadt, in der ich morgens die kleine Markthalle gefunden hatte, die ich bei unserer letzten Reise hierher vor 12 Jahren übersehen haben muss. Dann verlassen wir die Mauern der Altstadt. Oben an der Avenida in der Neustadt werden wir fündig. Herr Oppermann bekommt ein Seranito und ist glücklich. Ich bekomme Café con leche und bin auch glücklich. Und wo wir schon so glücklich sind, gönnen wir uns gleich auch noch Kuchen.

Ein Schild an der Wand verkündet, dass man hier weder mit Karte bezahlen könne, noch getrennt. Diese deutsche Unsitte kommt hier nicht ins Haus.

Dann wagen wir uns ans Meer und werden nass – vom Regen. Ein Holzsteg ermöglicht es Holger bis an den breiten Sandstrand zu rollen, in dessen Brandung sonst Kitesurfer ihr Paradies finden. Aber heute ist es selbst für die zu stürmisch. Außer uns ist niemand da.

An einer Mauer zeigt ein Graffito einen Surfer, der zum Strand eilt. Gekommen wegen einer guten Welle, steht daneben. Ihm kommt ein Schwarzer mit Rettungsring entgegen. Geflüchtet für ein besseres Leben, steht neben ihm.

Wir flüchten vor dem Wind in eins der hippen Strancafes, direkt an der Mole zur vorgelagerten Insel, die hier Mittelmeer und Atlantik trennt. Herr Oppermann sichtete schon mal die Videos, die wir mit seiner GoPro gemacht haben. Im Hintergrund laufen flott seichte Swingversionen diverser 80er-Klassiker. Draußen bläst der Wind ums Eck. Gleich, warnt Holgers App, gleich kommt Sturm.

Abends landen wir in einer Art Garagenschuppen hinter der Kirche. Da hat eine Künstlerin ihr Atelier und Freunde eingeladen, mit ihr auszustellen. Oder zu musizieren. Drei Männer und eine Sängerin covern mit spanisch beschwingter Gitarre internationale Hits. Ab und an singt auch der Bärtige, der sonst die Cajon trommelt. Er klingt wie Tom Waits. Kinder rennen durch den Raum. Die Künstlerin fordert einen Alten mit Baskenmütze auf. Am Ende tanzen alle. Buena gente!

Morgen abend, heißt es, gibt es hier wieder Musik. Und wir haben einen Plan.

One response to “Tarifa, tosend, tanzend”

  1. […] war es endlich wieder soweit. Ende April, Anfang Mai sind wir durch Spanien gefahren. Von Tarifa, über Cadiz nach Sevilla und dann nach einem Abstecher über Portugal nach Caceres, Toledo und […]

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