grimo auf reisen

die welt liegt uns zu füßen

Tonio, Fabio, Carla y Julio

Tonio steht am Strassenrand. Mitten im Gedraengel auf dem Rueckweg vom Marktviertel in Trujillo. Ein wunderbares Gewimmel ueberall. Und mittendrin eben Tonio. Mitte Vierzig vielleicht. Etwas unrasiert, schiefe Zaehne, freundliches Laecheln und deutsche Worte auf den Lippen. Er quatscht mich an. Wenig spaeter sitzen wir in einer Fruteria – und trinken Bier. Tonio macht – nichts. Sagt er jedenfalls. Frueher, da sei er Lehrer gewesen. Zumindest hat er das studiert. Englisch mit Zertifikat. Deutsch auch, am hiesigen Goethe-Institut. Portugisisch, Italienisch und Französisch kann er auch noch. Sagt er. Aber Tonio mag nicht mehr arbeiten. Zuviel Rassismus hier in Peru. Sagt Tonio. Da bekomme man als Mensch mit dunkler Hautfarbe nur miese Jobs. Dabei würde ich ihn nun wirklich nicht in die Kategorie „dunkelhaeutig“ einsortieren. Aber er hat unverkennbar Indigenas als Vorfahren. So wie die meisten Peruaner. Das reicht offenbar schon, um ihn zu deklassieren.

Aber Tonio ist kein unglücklicher Mensch. Im Gegenteil. Er liebt das Leben. Und die Freiheit, die Ungebundenheit. Heiraten zum Beispiel, das käme für ihn nie in Frage. Familienanschluss hingegen schon. Er wohnt hier in Trujillo bei seiner Schwester. Oder oben in den Bergen in einem kleinen Dorf bei Cuzco bei seinem Bruder. Oder er reist durch die Gegend. In Brasilien sei er mehrfach gewesen, erzählt Tonio. Dann schimpft er noch auf die verlogene Kirche. Und den Staat. Nein, sagt Tonio, er sehe sich nicht als Peruaner. Nicht mal als Latino. Er sehe sich nur als Mensch. Deshalb habe er nicht mal einen Pass. Und wenn die Polzei kommt, um ihn zu kontrollieren? Ach, sagt Tonio mit einem unverschämten Lächeln, alles kein Problem. Dann nimmt er noch einen letzten Schluck Bier.

Schiller, Schopenhauer, Nitzsche. Deren Bücher habe er am Goethe-Institut studieren müssen. Das sei Teil des Lehrinhalts gewesen. Vor allem letzterer hat es ihm angetan. Nitzsche, das sei ein tipo loco, ein verückter Kerl. So wie er selbst. Das passt, sagt Tonio.

Auf dem Rückweg zum Hostal fragt mich Carla in der Fußgängerzone nach der Uhrzeit. So im Gehen. Von der Seite. Erst als ich ihr antworte und sie mich genauer anschaut, stellt sie fest, dass ich kein Peruaner bin. Was ihren Begleiter, ihren Cousin Fabio umso mehr freut. Denn auch er kann ein paar Brocken deutsch. Seine wichtigsten Worte: „Lecker, lecker“.  Der 27-jährige Koch hat letztes Jahr drei Monate in Leipzig gearbeitet, im Rahmen eines Austauschprogramms. Statt in dem typischen Lokal oben an der Plazuela, das mir Tonio empfohlen hatte, lande ich nun mit den beiden in einem Kneipenviertel etwas südlich der Altstadt. Und trinke schon wieder Bier. Kurz darauf gesellt sich noch Julio zu uns, ein Freund der beiden. Sie wollen heute noch ausgehen. Tanzen. Carla ist Tanzlehrerin. Salsa. Cumbia del norte. Cumbia del sur. Sie warten auf weitere Freunde, es wird heftig telefoniert. Und schnell getrunken. Ich verabschiede mich bald. Muss mich bald verabschieden. Auch weil ich am nächsten Tag früh raus muss. Der Bus nach Lima wartet.  Schade eigentlich.

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