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Bikini mit Problemzone und spannender Geschichte

Bikini Haus, Osteingang Foto: Franz Brück/Bikini

Wenn es in Berlin einen neuen Ort gibt, dann muss der Berliner dahin. Mal gucken, zumindest, wie es da so ist. Ich nehm mich da nicht aus. Der neuste Ort in Berlin ist zwar nicht wirklich neu, aber komplett neu gemacht. Das Bikini am Breitscheidplatz im alten Westen.

Zuletzt hatten sich hier eher so die billigen Shops eingenistet. Nach einer längeren Umbauphase wurde das alte Bikini-Haus nun als Bikini.Berlin wiedereröffnet – als sehr spezielle Shopping-Mall, die versucht, genau das nicht zu sein: ein Shopping-Mall. Stattdessen wird sie als Concept-Mall beworben. Der Unterschied? Nun ja, er liegt vor allem im Marketing. Denn shoppen sollen die Leute hier auch – nur eben zu gehobeneren Preisen.

Die lokale Presse war nach der Eröffnung ganz angetan. Selbst der Spiegel meinte, berichten zu müssen. Und zugegeben, die neue, langgegestreckte Halle mit den auf temporär machenden Holzbuden darin, das hat schon was.

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Bikini-Haus Innenhalle Foto: Franz Brück/Bikini

Beim zweiten Blick allerdings wird klar, das Bikini hat so seine Problemzonen – auch wenn die Macher versuchen, sie geschickt zu kaschieren. Dass im Erdgeschoss drei kleinere von über 20 Ladengeschäften anderthalb Woche nach der Eröffnung noch komplett leerstehen, mag man ja noch hinnehmen. Im zweiten Stock aber wird bei genauem Hinschauen klar: hier hat rund die Hälfte keinen langfristigen Nutzer.

Einige Läden stehen komplett leer. In anderen findet sich eine tempöräre Galerie, die nur einen Monat laufen soll, oder ein Shop, der Andenken ans Bikini anbietet und kaum ausgebaut ist, Dann gibt es eine bunte Kleidergalerie hinter Glas, die für einen Modeladen ein Stockwerk höher wirbt.  Und sogar die Geschäftsführung des Centers hat ein großes Lokal belegt – schön versteckt hinter Milchglasscheiben. Erst von der Rolltreppe sieht man, dass sich dahinter nur ein paar provisorische Wände und rudimentäre Büros verstecken. So kann man seine Läden also auch voll bekommen.

Richtig schwierig wird es im zweiten Stock. Der besteht zum einen aus einer schicken Dachterrasse, von der man einen tollen Blick auf den Affenfelsen im dahinterliegenden Zoo hat. Hier oben stehen dann auch die Besuchermassen und beobachten die rotärschigen Paviane, die hordenweise im Kreis um den Felsen ziehen, während ab und ab ein Männchen quasi im Vorbeigehen eins der vielen Weibchen von hinten … Sie wissen schon. Eine echte Konkurrenz für das Beate-Uhse-Sex-Museum ein paar hundert Meter weiter.

Auf der anderen Seite der Dachterrasse sind noch rund zehn Shops mit hochpreisigem Modeangebot. Doch hierhin verirrt sich kein einziger Kunde. In den Läden steht ausschließlich gelangweiltes Personal. Kein Wunder, denn die Schaufenster bestehen aus einem leicht dunkelbläuchlichem, extrem spiegelnden Glas. Effekt: man sieht nichts. Genauer gesagt: von weitem sieht das aus wie die komplett verspiegelte Außenwand eines Bürogebäudes, das sich vor sämtlichen Einblicken schützen will. Besser kann man Geschäfte gar nicht verbergen. Wenn sich die Hausherren hier nicht schon bald noch was einfallen lassen, dürften die Ladenbesitzer bald ein Problem bekommen. Denn ganz ohne Kundschaft kann auch die exquisiteste Boutique nicht überleben.

Einen Vorteil aber hat der schlechte Start des Bikini. In einem der leerstehenden Läden im ersten Stock werden ein paar historische Fotos an die Wände gebeamt, die zwar wenig Details nennen. Aber so wurde ich zu einer kleinen Internetrecherche angestoßen, bei der ich auf eine Geschichte gestoßen bin, die mir zumindest bisher vollkommen unbekannt war.

Denn auf dem Gelände des heutigen „Bikini-Berlin“ befand sich seit 1928 ein Vergnügungspalast, der – je nach Geschichtsschreibung „Haus Germania“ oder „Gourmenia-Palast“ (teilweise auch Gurmenia geschrieben) hieß – und ein wenig an den im letzten Gereon-Rath-Krimi beschriebenen Vergnügungspalast „Haus Vaterland“ erinnert, der zur gleichen Zeit am Potsdamer Platz stand.

Erbaut wurde das nicht nur für damalige Zeiten hochmoderne Gebäude von dem jüdischen Architekten Leo Nachtlicht (was für ein toller Name). Drinnen befanden sich diverse Lokale, darunter das „Cafe Berlin“, das „Stadt Pilsen“, das „Weinrestaurant  Traube“ etc., die teilweise mit geschwungenen Betontreppen, teilweise mit einem Tropenhaus ausgestattet waren, was jede Menge eindrucksvolle Bilder dokumentieren.

Dabei erkennt man auch, dass das Ganze zumindest vor 1933 ein Hotspot für Jazzmusik war.
Ich habe leider bisher nirgendwo einen Hinweis darauf gefunden, wann das Haus geschlossen wurde. Aus dem Briefmarkenmotiv auf dieser Postkarte lässt sich aber erkennen, dass das Haus auch unter Hitler noch geöffnet war.

Zudem bin ich noch auf diesen wunderbaren Link gestoßen, einen Ausriss aud der Apotheker-Zeitung von 1934: Darin lädt der „Gau Groß-Berlin“ zum nächsten Bezirksabend (der Apotheker) am 25. April 1934 ins Restaurant „Stadt Pilsen“ im Haus Gourmenia, und zwar zu einem Vortrag eines Dr. Will über „Pharmakognostisches (Drogen, Drogenverfälschungen, Drogenhandel)“. Was ja nicht nur belegt, dass es das Haus zu der Zeit noch gab, sondern eine Steilvorlage für einen zeitgenössichen Krimi a la Gereon Rath sein könnte.

So spannende Details jedenfalls kann das heutige Bikini.Haus leider nicht bieten.

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