grimo auf reisen

die welt liegt uns zu füßen

Der Mann, der nach Argentinien schwamm

Dieser Text erschien während der Reise nur auf Facebook, weil damals der Blog defekt war, er wurde jetzt hier unter dem ursprünglichen Datum nachgetragen.

COLONIA (gri) Um die Ecke beginnt gleich das Konzert. Die siebenköpfige Band Tribu Dy Rasta hat schon alles aufgebaut. Vor der Barbot Brewbar auf der anderen Straßenseite, die mit dem Umsonst-und-draußen-Event Geburtstag feiert, drängeln sich die Massen. Aber die Musiker lassen noch auf sich warten.

Und da es – wie in allen Kneipen bisher – auch hier Bier nur mit Alkohol gibt, gehen Katha und ich erstmal in den Maxikiosco nebenan, den Mercado del Sol. Claro, sagt der freundliche Verkäufer hinter dem Tresen. Bier ohne Alkohol habe er. Er muss allerdings suchen, bis er in der hinteren Ecke des großen Kühlschranks noch eine Dose Clausthaler findet. Nun denn, Katha nimmt, was sie kriegen kann. Ich nehme ein normales Pilsen.

An der Wand hängt ein Schwarz-Weiß-Foto, das den Großvater des Verkäufers hinter dem Tresen zeigt. Ein Laden mit Tradition. Und mit einer lokalen Berühmtheit.

Neben dem Schwarz-Weiss-Foto hängt noch eine Karrikatur, die unschwer erkennbar unseren Verkäufer zeigt – in jüngeren Jahren und in Badehose. Und eine Urkunde für Daniel Scott zur Erinnerung an die zweimalige Durchquerung des Rio de la Plata. Schwimmend! Ja, das bin ich, sagt der Ladeninhaber hinter dem Tresen mit einem stolzen Lachen, als Katha ihn fragt.

1983 hat er mit 19 Jahren als erster Uruguayer überhaupt den Fluss durchquert. Von Colonia nach Buenos Aires.

In Europa gibt es immerwieder mal Berichte über Menschen, die den Ärmelkanal zwischen Großbritannien und Frankreich bezwingen. Aber da beträgt die Entfernung nur 12 Kilometer. Der Rio de la Plata gilt als der breiteste Fluss der Welt. Selbst hier, wo die Halbinsel der Stadt Colonia weit in den Fluss ragt, sind es noch fast 40 Kilometer Luftlinie bis zum argentinischen Ufer – also mehr als dreimal so weit!

Ein Jahr habe er trainiert, erzählt Daniel Scott, 15 Stunden sei er unterwegs gewesen, immer begleitet von einem Boot. Ob das nicht eine total verrückte Idee sei, will ich wissen. Der Mann mit den kurzen grauen Haaren lächelt nur – und wirkt sehr zufrieden. Warum er das gemacht hat? Das sei ein desafio gewesen, sagt Scott, eine Herausforderung, die erledigt werden musste.

Und weil er 25 Jahre später wissen wollte, ob er das immernoch kann, hat er es eben nochmal gemacht. Diesmal in umgekehrter Richtung von Argentinien nach Uruguay. Wieder hat er zunächst ein Jahr lang trainiert, hier vor den Stränden von Colonia. Wie die Karte auf der Urkunde zeigt, hat er beim zweiten Mal einen direkteren Weg, eine geradere Route gewählt – und dennoch deutlich länger gebraucht. Über 22 Stunden – einen Tag und eine Nacht. Aber da war er ja auch schon 44 Jahre alt.

Ob er es nochmal machen würde? Kann sein, sagt Daniel Scott, dass es ihn irgendwann nochmal packt. Aber trainieren tut er noch nicht dafür. Und die letzte Überquerung liegt ja auch erst 10 Jahre zurück.

Vor dem Tresen drängeln jetzt die Leute, alle wollen noch schnell ein Getränk, bevor das Konzert beginnt. Man steht gelassen unter den schönen Platanen am Straßenrand. Auch mehrere Familien mit Kindern sind da. Es ist nach halb elf in einer lauen Sommernacht, als die Musiker beginnen. Muy relachado. Was für eine schöne Stimmung.

Ein Block weiter am Ende der Straße kann man im Dunkeln die Wasser des Rio de la Plata erahnen. Über der Tür des Mercado del Sol leuchtet das Schwarz-Weiß-Foto mit dem Großvater von Daniel Scott.

Leave a Reply

Your email address will not be published.

You may use these HTML tags and attributes: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>