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Dumm gelaufen: „Unnützes Wissen Berlin“

Wenn es plötzlich anfängt zu regnen, ist es immer praktisch, gerade vor einem Buchladen zu stehen. Da kann man dann ein wenig stöbern und spannende Sachen entdecken. Manchmal aber auch den größten Unsinn.

Auf dem Tisch mit den Berlin-Büchern, den in Berlin jede Buchhandlung braucht, wegen der Touristen und wegen der Lokalpatrioten, und mindestens eins von beidem ist ja jeder hier, mittdendrauf auf diesem Tisch liegt eine Neuerscheinung aus dem emons-Verlag: „Unnützes Wissen: 711 erstaunliche Fakten„. Also so ein Buch, das niemand braucht, das man aber dann doch ganz gern zur Hand nimmt, weil es amüsant sein kann, absurdes über die eigene Stadt zu lesen. Zumal es ja draußen regnet.

„Wie viele Kloschüsseln hat der Berliner Hauptbahnhof? Wie schnell dreht sich der Mercedes-Stern am Europa-Center? Entdecken Sie Berlin von seiner amüsant-verblüffenden Seite und lassen Sie selbst eingefleischte Berliner vor Staunen blass aussehen“, bewirbt der Verlag sein Werk. Dumm nur, wenn man dann als eingefleischter Berliner vor allem deshalb staunt, weil hier offensichtlich nicht nur „Kurioses“ (Verlags-Webung) sondern schlichtweg Falsches zusammengetragen wurde.

Als unnützes Wissen 002 wird da zum Beispiel präsentiert: „Am 12. Oktober 2012 kam das erste in Berlin geborene Baby mit dem Vornamen Belin zur Welt“. Herrlich, oder? Nun ja, herrlich falsch, wie ich zufällig weiß. In der taz wurde bereits im Jahr 2003 eine junge Frau beschrieben, die den Vornamen Berlin trägt. Die Autorin Waltraud Schwab nutzte das Portrait später auch noch als Titelgeschichte für ihr Buch „Berlin ist eine Frau“. 

Der erste Absatz ihres Textes lässt keinen Zweifel:

„Egal, ob Junge oder Mädchen, das Kind heißt ,Berlin‘.“ So entschied es der Vater. Er liebte die Stadt, in die er 1971 auf der Suche nach Arbeit gekommen war. Er, ein Türke arabischer Herkunft. Bald holte er seine Frau nach und schon ein Jahr später ging der Wunsch in Erfüllung: Berlin wurde geboren. Im Urbankrankenhaus übrigens. Weder das Standesamt noch die türkische Botschaft hatten Einwände gegen den Namen.

Keine Ahnung, ob das die erste in Berlin geborene Berlin war oder nicht. Auf jeden Fall kam sie schon in den 70er Jahren zur Welt und nicht – wie im Unnützen Wissen behauptet – erst 40 Jahre später.

Man könnte das als „dumm gelaufen“ verbuchen, kann passieren, auch wenn es selbst in einem lustigen Faktenbuch erstaunlich blöd ist, wenn schon der zweite Fakt von 711 falsch ist.

Noch dümmer ist es dann aber, wenn als Fakt 008 gleich noch ein Klopper präsentiert wird. Da heißt es: „Verlängert man die Luftlinie zwischen der Elisabethkirche vor dem Fernsehturm und der Parochialkirche in der Klosterstraße führt sie genau nach Mekka.“

Kurios daran ist vor allem, dass diese kleine Kirche, die heute im Schatten des Fernsehturms steht, Marienkirche heißt – und zwar seit über 700 Jahren. Die Elisabethkirche steht ein paar Kilometer weiter im Norden. Beide Infos findet man in jedem handelsüblichen Reiseführer. Oder auf einem Stadtplan.

Wo ich schon mal beim Rumkritteln war, hab ich auch gleich noch nachgeprüft, ob die erstaunliche Luftlinie nach Mekka tatsächlich ein Fakt ist. Und siehe da:

Auch das ist knapp daneben. Zieht man die Linie von Kirchturm zu Kirchturm und dann ein paar tausend Kilometer weiter, kommt man zwar in die Nähe von Mekka, aber eben nur fast. Laut Googlemaps landet man rund 160 Kilometer östlich davon. Tja. Immerhin kommt man kurz zuvor in Medina vorbei. Aber das ist ja nur die zweitwichtigeste Stadt des Islam – und damit nicht mehr ganz so kurios.

Mindestens zwei der ersten zehn Fakten sind also schon mal falsch. Ich hab  mir dann die restlichen 701 Fakten gespart, das Buch wieder zurück auf den Ladentisch gelegt und bin gegangen. Es hatte eh auch wieder aufgehört zu regnen.

 

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