grimo auf reisen

die welt liegt uns zu füßen

Frankreich in fünf bis acht Büchern

Eigentlich sollte die Rubrik „Lesereisen“ hier mal einen Platz bieten, um auf die phantastische Art des Verreisen per Buch hinzuweisen. Und jetzt stelle ich fest, dass ich nicht nur sehr lange hier nichts mehr geblogt habe, sondern zudem diese längst angedachte Unterrubrik nie zum Leben erweckt hatte. Bis jetzt.

Gleich zum Beginn aber kann sie nun die Ausnahme vom gedachten Prinzip bieten. Denn es geht hier weniger um Reisen per Buch, sondern ums Reisen mit Buch. Und zwar dem passenden zum Urlaubsort.

Gerade liegen mal wieder zwei Wochen auf der Ile d’Oleron hinter mir. Und hier sind die entsprechenden Lesetipps für den Frankreich-Urlaub 2011:

Ana Gavalda, „Alles Glück kommt nie“: Die Romane von Ana Gavalda haben ein großes Problem. Sie werden – zumindest in Deutschland  – als kitschige Gefühlsromane für Brigitte-Leserinnen vermarktet. Ihr neustes Buch zeigt zwei trutelnde Täubchen auf dem Cover. Herrje! Dabei sind ihre Bücher sprachlich anspruchsvoll, die Geschichten mitreißend und die Figuren zeitgemäß. Um Glück am Rande des Kitsches geht es in diesem Fall nur am Ende ein wenig. Aber die Autorin weiß das, thematisiert das, erklärt und pariert das. Sie spielt mit dem offenbar schon immanenten Vorwurf.
Das Buch ist wie ihre Vorgänger, die mir den Strandurlaub vor zwei, drei Jahren bereicherten, der perfekte Sommerbegleiter – schon weil es erstaunt, mit welcher Präzision sich die Autorin in die männliche Hauptfigur hineindenken kann.

Michel Houellebecq, „Karte und Gebiet“: Die Pflichtlektüre für den Frankreich-Reisenden in diesem Sommer. Und zugleich eine Kür. Denn der neuste Roman des Obergrantlers ist endlich auf deutsch erschienen und begeistert – auf weiter Strecke. Seine kunstheoretischen Auseinandersetzungen mit dem Werk eines fiktiven Malers sind genauso ein Vergnügen, wie die Selbstbespiegelung des Autors, der sich als zunehmend wichtiger werdende Figur in seine eigene Geschichte einbaut. Leider ist Houellebecq letztlich doch ein egoverliebter Kotzbrocken, was dem Leser egal sein könnte, wenn nicht das letzte Drittel des Romans darunter leiden würde. Dennoch: unbedingt lesen! (Schon um herauszufinden, wie sich ein selbstverliebter Kotzbrocken in seinem Roman inszeniert – und welchen Abgang er sich verschafft.)

Véronique Olmi, „Die erste Liebe“:  Eine Art Roadmovie als Buch. Ein Midlifecrisis-Roman. Nur dass hier nicht der klassische Mann mit Mitte Vierzig aus seinem Alltag ausbricht, sondern eine Frau, die sich am Tag ihrer Silberhochzeit in Paris spontan auf die Suche ihrer Jugendliebe in Genua macht. Das ganze hat durchaus Schwung, ist liebevoll erzählt, nur das Ende ist dann ein wenig zu weit  herbeigeholt (was vor allem zwei Mitleserinnen in meinem Umfeld enttäuschte). Aber auch hier gilt: durchaus vergnügliche Sommerlektüre mit lokalem Bezug.

Guillaume Musso, „Lass mich niemals gehen“:  Das Buch wird mit einem Aufkleber beworben: „Nummer 1 in Frankreich“ steht darauf. Und schon deshalb wanderte es in meine Büchertasche. Man will ja wissen, was die Menschen am Urlaubsort begeistert. Tatsächlich findet man Bücher von Musso gut präsentiert in den Auslagen französischer Buchläden. Doch wie das bei Bestsellern so ist: Sie mögen vielen gefallen, das heißt aber noch lange nicht, dass sie tatsächlich gut sind. In diesem Fall bekommt der Leser eine hochkomplex, ja über-konstruierte Geschichte geliefert. Sie erzählt von einem jungen Mann, der sich aus dem Nichts zum angesagten und Millionen verdienenden Psychoberater hocharbeitet, aber mit dem eigenen Leben nicht so ganz klar kommt. Das ganze Konstrukt beruht auf konsequent durchgezogenen Klischees und entpuppt sich nach einem Drittel als phantastischer Roman. Das heißt leider nicht, dass es sich plötzlich um einer richtig gute Story handelt, vielmehr stellt der Autor jede Realität in Frage.  Am Ende verploppt die Geschichte mit einer nicht ganz neuen Überraschungserklärung. Das ganze spielt dann auch noch in New York. Für Frankreich-Urlauber mit Hang zu lokalen Geschichten also schon deshalb nur bedingt geeignet.

Paula McLain, „Madame Hemingway“: Paula McLain ist, wie ihr Name schon sagt, keine Französin. Aber ihre fiktive Biographie der ersten Frau von Ernest Hemingway spielt zu großen Teilen im Paris der 20er Jahre und bietet sich schon deshalb für den diesjährigen Frankreich-Urlaub an. Pünktlich zu Hemingways 50. Todestag gibt das Buch einen wunderbaren Einblick in das Leben der Literaten, die sich damals in Paris trafen, schildert ihr Ringen mit einer neuen Nachkriegsmoral und liefert den Hintergrund zur Enstehung von Hemingways erstem Roman „Fiesta“, den man – falls man das noch nicht getan hat – gleich nebenher lesen sollte. Gleichzeitig zu „Madame Hemingway“ ist in dem Buch „Paris, ein Fest fürs Leben“ auch noch die Sicht des späteren Literaturnobelpreisträgers selbst auf die 20er Jahre gerade wieder neu erschienen. Es könnte also ganz interessant sein, alle drei Bücher parallel zu lesen – was ich aber nicht getan habe.

BONUSTRACK:

Tino Hanekamp, „So was von da“:  Definitiv kein Frankreich-Buch. Sondern ein Hamburger Szeneroman, der die letzte Nacht eines Clubs in der Hansestadt aus der Sicht seines jungen Betreibers beschreibt. Äußerst schwungvoll. Mit Sehnsucht, Musik, Liebe und ganz viel Rumms!! Und in einer Sprache geschrieben, die passt. Klasse!

REPLAY:

Weil ich gerade so in Schwung bin, noch ein kurzer Rückblick auf in Frankreich zu lesende Frankreich-Romane aus den Vorjahren:
„Suite francaise“ von Irene Nemirovsky, die bedrückende, aber absolut lesenwerte Schilderung des Nazis-Einmarsches in Paris in den Augen einer jüdischen Französin, die ihr Werk nicht vollenden konnte, weil sie umgebracht wurde.
Und „Die drei Musketiere“ von Alexander Dumas, als vergnüglicher Klassiker, vor allem wenn man sich wie die Protagonisten von Paris auf den Weg an die Westküste des Landes macht.

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