grimo auf reisen

die welt liegt uns zu füßen

Krieg

B52-Bomben, hübsch drapiert auf dem Museumsgelände von Khe Sanh

Krieg ist nichts fuer Langschlaefer. Wer an die Front will, muss frueh aufstehen. Um 6 Uhr geht es los, sagt die freundliche Frau an der Hotel-Rezeption. Auf Nachfrage bekomme ich eine Gnadenfrist: Antreten um 6.15 Uhr. Doch die Truppe ist unpuenktlich. Erst gegen halb sieben erscheint der Bus. Und dann steigen alle erstmal aus. Denn bevor es ins Kriegsgebiet geht, gibt es Fruehstueck. In einem Café, gleich gegenueber von meinem Hotel in Hue.

Dann aber geht es wirklich los. Der Bus bringt die 30-Mann-Truppe in die DMZ, die demilitarisierte Zone. Das ist ein rund zehn Kilometer breiter Streifen, den seit Mitte der 50er Jahre Nord- und Suedvietnam trennte. Er sollte garantieren, dass alle die vom Norden in den Sueden bzw. umgekehrt umsiedeln wollen, dies problemlos tun koennen. Zehn bis 15 Jahre spaeter aber wurde hier ganz im Gegensatz zum Namen, so viel gebombt, wie wohl nirgendwo sonst auf der Welt. Napalm. Agent Orange. Hier war das also. Nicht nur hier. Auch die Staedte im Norden wurden von den Amerikanern angegriffen. Und der Ho Chi Minh Pfad, der kein einzelner Weg, sondern ein vielfach verzweigtes Netz von Wegen ueber die Berge und durch den Dschungel war, auf dem Waffen und sonstiges zu Fuss vom Norden in den Sueden geschmuggelt wurde, wurde von den US-Truppen ueberall attackiert. Auch in Laos und Kambodscha. Und die Truppen des Nordens waren auch nicht zimperlich. Sie lieferten sich mit den Amis heftige Gefechte in vielen Staedte. Auch in Hue, wobei unter anderem der dortige Kaiserpalast nahezu vollstandig zerstoert wurde.

Nebel in Khe SangAber hier in der DMZ war es wohl mit am heftigsten. Vor allem rund um Khe Sanh. Wir halten oben auf einem kleinen Hochplateau auf dem heute Kaffee waechst. Ansonsten sieht man nicht viel. Dichter Nebel haengt ueber den Bergen. So wie damals, als das US-Militaer hier ein Basiscamp hatte, inklusive Landebahn etc. Tausende Soldaten waren dort wenige Kilometer von der Grenze zu Laos entfernt stationiert. 1968 wurden sie monatelang von den Vietnamesen belagert und schliesslich vertrieben. Allein 500.000 Vietnamesen sollen dabei gestorben sein, erzaehlt unsere Reisebegleiterin, die sich sichtlich um eine ausgewogene Darstellung der Ereignisse bemueht. Sie fuehrt bereits seit 1992 Besucher in diese Gegend. Anfangs, erzaehlt sie mir spaeter, habe sie das so wiedergegeben, wie sie es als Kind in der Schule gelernt habe. Da sei viel Propaganda dabei gewesen, sagt sie. Da sie auch viele ehemalige US-Soldaten auf das einstige Schlachtfeld gefuehrt hat, kennt sie heute beide Seiten. Viele Amerikaner kaemen gleich mehrfach wieder, um ihre Traumata vor Ort zu verarbeiten. Und die meisten seien ueberrascht, dass sie nicht auf eine Welle des Hasses stossen wuerden.

Oben auf dem nebligen Huegel steht heute ein kleines Museum. Drinnen gibt es ein paar alte Fotos, ein paar Uniformen. Und ein Gaestebuch, in dem die Besucher um die Wahrheit streiten. Drumherum sind Hubschrauber geparkt, ein rostiger Panzer, eine Sammlung von Bomben ist fast huebsch drapiert. Einheimische verkaufen Abzeichen und Militaer-Medaillen, die sie in der Gegend gefunden haben. Noch heute werden in der Umgebung immer wieder Leichen gefunden.

Niemand, sagt unsere Reisebegleiterin, habe in den 80er Jahren damit gerechnet, dass einmal Touristen in diese Gegend kommen wuerden. Deshalb gebe es kaum noch Dinge im Originalzustand. Derzeit ueberlege die Regierung deshalb, die alte Landebahn bei Khe Sanh wieder aufzubauen. Irgendwie erinnert das ein wenig an die Diskussion um das Mauer-Gedenken in Berlin.

Was man heute sehen kann, ist eher das, was man nicht sehen kann. Zum Beispiel: keine grossen Dschungelbaeume an den Haengen rund um den ehemaligen Grenzfluss. Die Gegend sei dermassen mit dem Entlaubungsmittel Agent Orange besprueht worden, dass die Wiederaufforstung erst langsam wieder vorankommt. Nach dem Krieg habe hier gar nichts mehr gestanden, erzaehlt unser Guide. Und auch der Nebel, der uns die Aussicht versperrt, ist irgendwie authentisch. So sei es fuer die Amerikaner gewesen. Sie haetten auf dem Huegel gesessen und nichts gesehen. Sie haetten schlichtweg nicht wissen koennen, wo sich der Feind versteckt. Also haben sie erstmal alles bombadiert.

Bei der Mittagspause in einem kleinen Restaurant laeuft im Hintergrund ein Fernseher. Er zeigt Ausschnitte aus einem US-amerikanischen Vietnamfilm. Die Amis zerstoeren gerade ein kleines Dorf.

Eingang zum Tunnel von Vinh Moc Wegweiser im Tunnel

Treppenabgang im Tunnel Treppenabgang im Tunnel Familien-Höhle im Tunnel

Nach einigen anderen Zwischenstationen besichtigen wir noch die Tunnel von Vinh Moc. Tunnel hatten waehrend des Krieges verschiedene Aufgaben. Einige dienten dazu, die Guerillakaempfer moeglichst nah an die Amerikaner heranzufuehren, um diese dann ploetzlich angreifen zu koennen. Andere diente als Teil des Ho Chi Minh Pfades dem Nachschub. Die Tunnel von Vinh Moc waren der Bunker des Dorfes direkt an der Kueste des suedchinesischen Meeres. Auf dem Weg dorthin sieht man noch heute im Wald Bombenkrater. Die Dorfbewohner gingen unter der Erde in Deckung. In dem weitverzweigten System ueberlebten sie sechs Jahre Krieg. Winzig kleine Ausbuchtungen in den Tunnel dienten Familien als Lagerstaette. Es gab sogar einen speziellen Raum fuer Geburten, den man bei der kurzen Durchwanderung des spaerlich beleuchteten Tunnelnetzes besichtigen kann. Am schoensten aber ist es, wenn man am anderen Ende durch den Ausgang wieder ans Licht kommt, und zwischen den Bueschen direkt oberhalb des Strandes steht.

Die KriegsgräberAm Ende der Tour steht noch ein Kriegsgraeberfriedhof auf dem Programm. Die meisten der Grabsteine tragen die selbe Inschrift. Man muss nicht nachfragen, um darauf zu kommen, dass dies so viel wie „Unbekannt“ bedeutet.

In so einer Gegend sucht man irgendwie nach einem Hoffungsschimmer. Und der Gedanke, dass dies mal ein Krieg war, an dem die Deutschen nicht beteiligt waren, liegt nahe. Leider ist die Geschichte komplizierter. Denn der erste Beschluss, Vietnam in zwei Haelften zu teilen, fiel am Rande einer Nachkriegskonferenz der Siegermaechte 1945 in Potsdam. Der Norden sollte China zufallen, der Sueden den Franzosen. Zuvor hatte Japan das Land besetzt. Die Japaner hatten es kurzerhand von der Kolonialmacht Frankreich uebernommen, nachdem ihr Buendnispartner Nazi-Deutschland Frankreich erobert hatte. Auch wenn diese Teilung faktisch erst rund zehn Jahre spaeter umgesetzt wurde. Man kommt nicht umhin, dass auch Deutschland war ein Glied in der geschichtlichen Kettenreaktion war, die letztlich zu den jahrelangen Gemetzeln hier in Vietnam gefuehrt haben.

Ein Koreaner im Bus ist ganz begeistert von Deutschland. Ihr habt die Wiedervereinigung geschafft, sagt er. Wir warten noch darauf. Auch ein paar Vietnamesen finden Deutschland toll: „Oliver Kahn number one!“, sagen sie.

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