grimo auf reisen

die welt liegt uns zu füßen

Menschen am Wegesrand

CalebCaleb: Der junge Ami mit dem seltsamen Namen war mein erster Zimmernachbar im 4-Bett-dormitorio in Banos. Er studiert an einer sehr liberalen Uni „international affairs“, weiß aber noch nicht, was er damit machen will, und hat daher erstmal ein Jahr ausgesetzt. nun reist er vergleichsweise langsam durch Lateinamerika und ist leicht frustriert, weil es ihm nirgendwo so gut gefällt, wie im Norden von Mexiko, wo er die ersten zwei Monate seiner reise verbracht hat. ich hab lange mit ihm über dies und das geredet, außerdem sind wir zusammen zu Virgen-Statue gekraxelt, bevor er am Donnerstag Richtung Puyo los zog, um da in er nähe bei einem Projekt auf dem Land erstmal als Volountier zu arbeiten.

Cristian: Der äußerst sympathische, junge Mann an der Rezeption des Hostal „Plantas y Blanco“ war nicht nur immer für einen kurzen Schnack gut. Er erklärte mir bei einem abendlichen  Bier auf der Dachterasse auch, dass der unübersehbare Virgen-Kult in Banos für die Menschen dort tatsächlich sehr wichtig ist, weil nach ihrem glauben nur die Heilige Jungfrau dafür sorgen könne, das der nahezu direkt unter dem Vulkan Turungahau liegende weiter so wie in den vergangenen Jahrhunderten von Lava-Strömen verschont bleibt. nach dieser Einführung in den lokalen Jungfrauen- Kult schleppte Cristian die schon reichlich betrunkene Virginia aus Canada ab.

BenBen: Ein 22-Jähriger Friese aus Holland aus einer äußerst komplexen Patchworkfamilie (Vater heiratete die jüngere Schwester seiner verstorbenen ersten Frau), der Deutsch mit einem deutlichen schweizer Akzent spricht, weil er zuletzt ein halbes Jahr bei Bern auf einem Pferdehof gearbeitet hat. Er hat mir netterweise nach meinem Unfall einmal die Schuhe zugebunden. als ich meinte, ich käme mir dabei vor, wie ein kleiner Junge, antwortete er mit dem Charme eines Frühweisen: „Nein, wie ein alter Mann“. Jetzt ist er zu einer dreitägigen Jungletour aufgebrochen.

Ignacio: Trotz des spanisch klingenden Namens hat auch der 18-Jährige einen holländischen Pass. Geboren wurde er in Ecuador, als seine Mutter aber ein Jahr später einen Holländer heiratete, ging er mit nach Groningen. Getroffen habe ich Ignacio beim Einchecken für den Rückflug in Quito. Dort sowie beiden Zwischenstopps in Guayaquil und Madrid hat er mir dann komplett seine letzten sieben Monate erzählt, die er nach dem Schluabschluss in Holland bei seiner Verwandtschaft in Ecuador verbracht hat – inklusive aller Frauen-Geschichten, Trinkgelage und Kuhmelkereien, die er sämtlichst per Foto bzw. Video auf seinem Handy parat hat. Nun will er erstmal in Holland Tourismus studieren und anschließend auf einem familieneigenen Grundstück am Strand in Ecuador ein Hotel errichten.

Button von herbalifeLorenzo: Der Venezuelaner stand samt Frau, Tochter und Mutter oben am Kraterand des Pululahua, als ich gerade wieder hochgestiegen kam. Sie waren die ersten – und zum Glück einzigen – einer ganzen Horde von herballife-Vertetern, die sich gerade zu ihrem Weltkongress in Quito getroffen hatten.  Wenn ich es richtig verstanden habe, geht es um nicht weniger, als die Menschheit mit einer Art Astronautennahrung von ihrem Fettleiden zu befreien. Das ganze wird mit einer missionarischen Inbrust vor sich her getragen. So waren in Quioto überall Menschen zu sehen, die Passanten per großem Brustbutton dazu aufforderten, sie anzusprechen, falls man wie sie „von zuhause arbeiten“ oder „die Lebensqualität verbessern“ wolle. Beim Abflug am Montagabend war der Flughafen randvoll mit herballifern – alle in herbalife-grünen Westen und mit herballife-gesund strahlenden Gesichtern. Gruselig.   

Mike und seine Freundin: Die traf ich wie so viele beim Frühstück auf der Dachterasse des „Plantas y Blanco“. Sie stammen aus Jackson. Leider nicht aus dem Jackson, das Johnny Cash zusammen mit June Carter besingt. Das liege in Texas und nicht wie ihr Dorf in der Nähe des Yellowstone Nationalparks.

Hugo: Der junge Mann setzte sich im Bus auf dem Rückweg nach Quito neben mich. Er sei gerade auf dem Weg nach Ambato, weil er als Marketing-Mensch für ein international network arbeite – allerdings nur noch ein Jahr, dann habe er für den Rest seines Lebens ausgesorgt. Denn die Gründer seiner Firma 4life hätten das ideale Konzept zur Lebensverbesserung gefunden. Kurz gesagt geht es dabei um die geschickte Kombination von Wundermitteln und Pilotenspiel. Das Wundermittel sind irgendwelche Pillen, die – und das haben russische (!) Forscher bewiesen – innerhalb von nur 48 Stunden 99 Proznet aller potenziellen Krebszellen im menschlichen Körper vernichten. Diese Superpillen werden nun von 4life-Vertretern vertrieben – und zwar per Kettenmarketing. Man müsse nur sechs seiner Freunde überzeugen, die wiederum sechs ihrer Freunde überzeugen müssen, die wiederum sechs ihrer Freunde … usw. Von allen späteren Umsätzen bekomme man jeweils 2 Prozent Tantiemen und dann komme man für den Rest seines Lebens ohne Arbeit aus, verkündete Hugo stolz und gab mir seine Visitenkarte. Ich blieb skeptisch, weil solche Pilotenspiel schon aus mathematischen Gründen bekanntlich an der Endlichkeit der weltweit verfügbaren Menschenzahl scheitern müssen und in der Regel nur für die jetzt sorglos vom Firmenprospekt strahlenden Initiatoren Geld abwerfen. Aber Hugo blieb von der Sache überzeugt. Falls er es tatsächlich schafft, will er mich in Berlin besuchen. Ich hab ihm für alle Fälle meine Mailadresse gegeben.

Kris: Sein Job sei Reisen, sagte der Pole. „Und wenn ich nicht arbeite, dann reise ich auch“. Zuletzt habe er lange Zeit Reisegruppen durch Nordafrika geführt. Jetzt brauche er aber etwas neues und erkunde daher nun Südamerika. Vor Ort in Banos entpuppte er sich zunächst einmal als ausgesprochener Langschläfer.

Piedad: Auf der nach Banos setzte sich zwischen Latacunga und Ambato eine Frau namens Piedad neben mich.Wie mit fast allen Einheimischen kam ich auch mit ihr schnell ins Gespräch. Sie schwärmte vor allem vom bevorstehenden Karneval, der in Ambato vor allem am Sonntagmorgen mit einem großen bunten Umzug als Fiesta de las Flores gefeiert werde. Sie wohnt mit ihrer Familie direkt an der Umzugsstrecke und hat mir ihre Telfonnummer gegeben, damit ich sie anrufen kann, falls ich an Karneval in der Stadt sei. Doch statt auf ihrem blumengeschmückten Balkon hocke ich jetzt im verschneiten spiegelglatten Berlin. Herrje.

Rodrigo: Eigentlich hätte ich Rodrigo gar nicht kennen lernen dürfen. Er hat mich im Busbahnhof gefragt, ob ich ein Taxi suche, als ich mit meinem Korsett auf dem Weg Richtung Flughafen war. Er fährt Taxis, aber keins der offiziellen gelben, sondern „un taxi colorado“, ein farbiges Taxi. Seins hatte die passende Farbe schwarz. Und deshalb musste ich ihn auch ein paar Meter vor der Ankunft am Flughafen zahlen, damit er keinen Ärger mit der Polizei bekommt. Von Fahrten mit inoffiziellen Taxis raten Reiseführer dringend ab. Ich hatte aber Glück. Rodrigo stellte sich als extrem behutsamer Fahrer heraus. Und als großer Fan des linksgerichteten Präsindenten Raffael Correa. Früher hätten Eltern 25 Dollar Schulgeld für jedes Kind zahlen müssen, zudem Schuluniformen und Bücher kaufen müssen. Deshalb hätten viele arme Ecuadorianer ihrer Kinder nicht zur Schule schicken können, vor allem für die vielen allein erziehenden Mütter sei das praktisch unmöglich gewesen, erzählt Rodrigo auf dem Weg zum Flughafen. Die neu Regierung aber hab das Schulgeld abgeschafft und stelle die Uniformen und einen Teil der Bücher. Denn Erziehung und Bildung, das sei das wichtigste. Deshalb stehe das Volk hinter dem Präsidenten. Zumindest im Süden von Quito. Im Norden der Stadt sei das nicht ganz so. Dort hielten sich die Menschen für etwas besseres, sagt Rodrigo. Die glauben sie hätten mehr Geld als die Armen im Süden. Das sei fast schon eine Form von Rassismus. Bei der Ankunft am Flughafen gibt er mir noch seine Telfonnummer, für den Fall, dass ich nochmal ein „taxi colorado“ benötige.

TonyTony: Noch ein junger Ami aus dem „Plantas y Blanco“, der mir vor allem bei der Anbringung meines „bra“ geholfen hat. Er wirkte irgendwie unglücklich, bis er dann nach drei Tagen plötzlich packte und aufbrach. Er müsse zurück nach Cuneca, dort habe er sein Herz verloren.  Hoffnetlich hat er es wiedergefunden.

Ursula and Biff: Meine Retter. Er Brite, sie Australierin, beide für drei Monate in Lateinamerika, beide Mitte, Ende 30, beide mit für die Reise gekündigten Jobs. Sie waren mit mir im Tunnel. Sie haben nachher ein paar Sachen für mich erledigt und sich rührend gekümmert. Jetzt sitzen sie, wenn alles geklappt hat, irgendwo in Ecuador am Strand.

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