grimo auf reisen

die welt liegt uns zu füßen

Pisco – Leben nach dem Beben

Titus auf der leergeräumten Fläche vor unserem Hostal, von dem nur noch die rechte Hälfte stehtWer hier ankommt, moechte gleich wieder weiter. Natuerlich hatte ich mir und anderen die Frage gestellt, ob man in einen Stadt fahren kann, die vor einem halben Jahr – am 15. August 2007 – von einem Erdbeben zerstoert wurde. Die Antworten der Peruaner war: ja, man kann wieder dorthin. Meine Antwort nach dem Besuch ist noch eindeutiger: man muss!

In jedem Haus: Mit S gekennzeichneten Orte sollen Schutz bei Beben bietenDabei will man bei der Ankunft tatsaechlich am liebsten gleich weiter. Wenn der Bus nach der vierstuendigen Fahrt von Lima in die Hafenstadt Pisco hineinfaehrt, sieht man nur die Zerstoerung. Haeuser ohne Daecher, Zelte zwischen zerbrochenen Mauern – und leere Flaechen. Komplette Strassenviertel sind abgeraeumt. Die Bagger haben mittlerweile ganz Arbeit geleistet. Nur vom Wiederaufbau ist auf den ersten Blick wenig zu sehen. Will man hier bleiben?

Titus sowie Kathrin und Linde, zwei Studentinnen, die wir im Bus kennengelernt haben, sind ratlos. Zum Glueck werden wir von den ueblichen Zimmeranbietern bedraengt. Und sie erklaeren auch gleich, warum wir bleiben sollen. Tourismus, sagen sie, ist unsere einzige Einnahmequelle. Auch wenn von der kolonialen Schoenheit der Stadt, die die Reisefuehrer noch beschreiben, wenig geblieben ist.

Die Bank links hat das Beben überstanden. Die Bank rechts nicht.Schliesslich nimmt uns Pedro an die Hand – der Zimmervermittler kann fast perfekt deutsch. Er fuehrt uns zum Hostal Posada Hispana, einen Block von der Plaza de Armas entfernt. Es ist ein sehr huebsches Haus mit netten kleinen Zimmern, die wir fuer 30 Soles pro Kopf bekommen. Die Dachterasse bietet einen guten Ueberblick ueber die Ruinenlandschaft. Auf beiden Seiten des Hostals steht nichts mehr. Ein Mitarbeiter erklaert, dass das Haus stehen blieb, weil es anders als viele aeltere Bauten eine bessere Konstruktion hatte. Allerdings blieb auch die Posada Hispana nicht unbeschaedigt. Zwar ist sie auf den ersten Blick in hervorrragendem Zustand, doch nach einem Hinweis der Hostalleute sieht man, dass die linke, aeltere Haelfte des Hauses bis auf das Erdgeschoss fehlt. Das Erbeben mit einer Staerke von mehr als 7,0 auf der Richterskala – einen Stadtbewohner erzaehlen gar von 8,0 – hat aber keineswegs nur Altbauten getroffen. Direkt gegenueber von der Posada, so erzaehlt man uns, habe ein sechstoeckiges Hotel gestanden. Die unter drei Etagen aelterer Bauart seien eingestuerzt, dort habe es auch Tote gegeben. Die oberen drei Etagen neuerer Bauart aber seien nur heruntergefallen. Darin habe es Ueberlebende gegeben.

Ein kleiner Tsunami sei zudem durch Teile der Stadt geschwappt.

Von der Kirche an der Plaza blieben nur die zwei TürmeDie groesste Katastrophe aber passierte in der Kirche an der Plaza de Armas. Von ihr stehen heute nur noch die beiden Tuerme. Bei dem Erdeben ist offenbar die Decke des Kirchenschiffs in einem Stueck heruntergstuerzt. Allein dabei sollen 180 Menschen ums Leben gekommen sein. Insgesamt soll es in Pisco rund 350 Tote gegeben haben. Einer der nur zwei Ueberlebenden in der Kirche, so erzaehlt man, sei der Pfarrer gewesen, der drei Tage nach dem Beben unter den Truemmern gefunden wurde. Andere berichten, dass die Messe, die wenige Minuten vor dem Beben begonnen hatte, speziell fuer alle Menschen mit einem bestimmten Familinenamen in der Stadt gewesen sei. Und dass dieser Name nun nicht mehr in Pisco existiere.

Eingestürztes Haus. Auf der freigeräumten Fläche enstehen Hütten für TouristenagenturenWilliam, der uns am naechsten Tag zu den Islas Balletas begleiten wird, erzaehlt mir, dass er bis heute mit seiner Familie in einem Zelt lebe. Er sei auf die Hilfe der Touristen angewiesen. Zwar gibt es staatliche Hilfsprogramme fuer den Wiederaufbau – aber die seien sehr buerokratisch, man brauche jede Menge Belege und am Ende bekomme man doch nichts. Es habe viel internationale Hilfe gegeben, sagt William. Der Buergermeister von Pisco sei nun Millionaer. Die kleinen Leute aber seien auf sich gestellt. „Macht Fotos von hier“, sagt William, und zeigt der Welt wie es hier aussieht. Und dass alle herkommen sollen – um hier Geld auszugeben. Oder mehr: Die kleine Holzhuette an der Plaza, in der Pedro und William Hotelzimmer und Touren zu den Inseln vermitteln, habe ihnen ein Kanadier spendiert. Die Plastikstuehle darin habe ein Franzose gekauft.

Nachtrag: ein paar Tage spaeter gibt es eine grosse Demo in Lima. Tausende Menschen aus Sued-Peru demonstrieren gegen die Regierung, weil sei bis heute auf staatliche Unterstuetzung warten.

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