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Sahararock mit Turbo: Mdou Moctar @ Monarch

Wer ein gewisses Faible für Sahararock hat, also für Tuareg-Musik mit E-Gitarren aus Westafrika, der hatte in den vergangen Tagen in Berlin die Qual der Wahl. Umso besser, wenn man dabei offensichtlich den Hauptgewinn zieht! Los ging es am Mittwoch, das spielte Tinariwen im Postbahnhof. Das sind bekanntlich die Könige des Sahararock, die Klassiker, seit Jahrzehnten auf Tour und ein großartiges Live-Erlebnis. Aber das wusste ich schon, weil ich die Band erst vor einem halben Jahr gesehen hatte.

Da ich immer eher offen für Neues bin, hatte ich mir stattdessen den Auftritt von Tissdas im Acud am Donnerstag in den Kalender eingetragen. Die klingen – zumindest bei youtube – sehr ähnlich wie Tinariwen. Dann aber fand ich in meiner Lieblingszeitung den Hinweis auf dieses Konzert am gleichen Abend: Mdou Moctar im Monarch am Kottbusser Tor. In der Zeitung hieß es, Moctar sei ein Singer-Songwriter, zu dessen elektronischer Version klassischer Tuareg-Musik man sich entspannt zurücklegen könne. Nun, sagen wir mal so: das ist nicht ganz richtig. Tatsächlich ist der Mann viel besser, unglaublich viel besser. Und man kann eine ganze Menge machen zu seiner Musik, nur eins nicht: sich entspannt zurücklegen.

Oder allenfalls die ersten füneinhalb Takte. Denn da dengelt Mdou Moctar auf seiner E-Gitarre bei fast jedem Stück erstmal ein wenig vor sich hin, bis dann seine beiden Mitmusiker einfallen und alle drei losrocken – aber so richtig. Der Mann aus Niger singt auch, gelegentlich, aber sein Hauptgesangsinstrument ist die E-Gitarre. Das ganze fast anderthalbstündige Konzert ist eingentlich ein einziges nur selten unterbrochenes Gitarrensolo. So ähnlich muss das bei den Greatful Dead gewesen sein. Stell ich mir zumindest so vor.

Hinter Moctar auf der winzigen Bühne des Monarch treibt der Drummer seine Snare vor sich her, neben Moctar steht der Rhythmusgitarrist, der ebenfalls sein Handwerk versteht, mit Offbeat und Triolen für Abwechslung sorgt. All das was klassische Tuaregbands ausmacht, also die typischen Trommeln, das gleichförmige spezielle Klatschen – all das braucht Moctars Trio nicht. Dafür rocken sie – und wie. Das Publikum tanzt und jubelt und schwitzt. Bildet einen Gasse, als die drei nach dem Konzert von der Bühne wollen, bildet sie noch viel bereitwilliger, als die drei zur Zugabe zurückkommen – und dann mitten im Song, das Tempo einfach nochmal verdoppeln. Sahararock mit Turbo. Großartig.

Bei dem Tinariwen-Konzert Ende Februar hatte ich Lust bekommen, mich sofort auf ein Kamel zu setzen und mit der erstbesten Karawane von dann zu ziehen – was ich dann ja ein paar Monate später auch gemacht habe – zumindest ansatzweise.

Mit Moctar Mdou ginge das auch. Irgendwie. Nur wäre dessen Kararwane doppelt so schnell am Ziel. Falls nicht, was wahrscheinlicher ist, die Kamele nach einer halben Stunde einfach zusammenklappen, weil sie nicht mehr können.

Musik von Mdou Moctar findet man – wie so häufig bei kleinen großartigen Band – bei bandcamp. Leider sind die meisten seiner Songs dort nicht ganz so energetisch, wie sein Liveauftriit in Kreuzberg. Aber „Chet Boghassa“, das ich hier verlinkt habe, kommt dem treiben Beat auf der Bühne schon recht nah:

Mdou Moctar hat übrigens keine eigenen bandcamp-Seite, sondern ist dort Teil von Sahelsounds. Wer sich für wunderbare Musik aus Westafrika interessiert, ist dort genau richtig.

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