grimo auf reisen

die welt liegt uns zu füßen

Babylon by bus (2)

Über all das wollte ich unter dem Titel „Babylon by Bus“ schreiben,

aber jetzt sitze ich längst in Belize im Bus von Belmopan nach Dangriga und alles ist schon wieder ganz anders. So wie Belize anders ist als der Rest der zentralamerikanischen Staaten, weil das Gebiet von den spanischen Konquistadoren irgendwie vergessen wurde und sich stattdessen vornehmlich britische Piraten ansiedelten und später dann vor allem als Sklaven in die Karibik geholte Schwarze das Land prägten, so dass hier immernoch Englisch die Hauptsprache ist.

Heute morgen bin ich in Flores gestartet. Der Minibus fährt von da direkt bis Belize City, der größten Stadt des Landes am Meer. Da wollen auch alle hin, weil von Belize City die Fähren auf die Inseln am Barriereriff fahren.

Ich will aber erstmal nach Süden, um das Küstenstädtchen Dangriga oder den etwas südlicher gelegenen Strandort Hopkins zu besuchen. Dafür müsste ich in der Hauptstadt Belmopan umsteigen. Das allerdings ist gar nicht so einfach.

Zwar halten die Busse in Belize bei Bedarf an tatsächlich jeder Ecke. Aber Busse aus dem Nachbarland Guatemala dürfen das nicht. Das sei per Gesetz verboten, hat mir ein Ticketverkäufer in Flores erklärt. Deshalb könne er mir nur Fahrscheine bis zum Zielort Belize City oder nur bis zur Grenze verkaufen.

Ich wähle die zweite Option und frage im Bus den Fahrer, ob er mich nicht doch noch weiter mitnehmen könne. Zunächst ignoriert er meine Frage völlig, aber da ist ich noch ein Kontrolleur von seiner Firma mit an Bord. Kurz vor der Grenze bietet er mir dann doch an, mich bis zu einer Kreuzung bei Belmopan mitzunehmen. Gegen ein entsprechendes Aufgeld, bar auf die Hand, klar. Außerdem könne er nur ganz kurz anhalten, ich müsse mein Gepäck griffbereit haben und dann schnell rausspringen. Am Ende fährt er sogar noch einen kleinen Umweg und setzt mich in Sichtweite des Busbahnhofs raus – aber schnell, ja? Und schon rauscht er davon.

Am Busbahnhof herrschen andere Sitten als in Guatemala. Fahrkartenschalter gibt es hier erst gar nicht, man zahlt im Bus – wenn man denn reinkommt. Deshalb wird auch ordentlich gedrängelt. Zwar steht über den Gittertoren, die den Durchgang zum Bussteig versperren, man solle bitte nur eine einzige Warteschlange bilden. Aber da hält sich keiner dran. Immerhin wird akzeptiert, dass immer nur kleine Gruppen von acht bis zehn Leuten durchgelassen werden, um das komplette Chaos beim Einstieg zu vermeiden. Bei der dritten Gruppe bin ich dabei.

Und so rauscht draußen jetzt der Regenwald vorbei. Neben mir in der letzten Reihe sitzt ein faltengesichtiger Latino, der an einem Ständer mit Querstange etwa 60 bis 70 Plastiktüten mit Zuckerwatte transportiert. Er will sie in Dangriga verkaufen. Drei Reihen vor mir sitzt ein älterer Schwarzer mit einer Rastafarimütze auf dem Kopf. Schwarzrotgrüngelb. Ihm gegenüber sitzt die schwarze Teenagerin mit dem schmerzhaft schönen Gesicht unter einem luftigen Kopftuch, die schon am Busbahnhof von Belmopan von den jungen Männern umschwärmt wurde. Zwischendurch steigt ein Latino ein, der ein paar Kilometer mitsamt einem schmutzigen Autoreifen mitfährt. Weiter vorne sitzt der neben mir unter den knapp 50 Fahrgästen einzig offensichtliche Tourist, ein junger Mann mit kurzen roten Haaren.

Und dann gibt es noch diesen anderen hellhäutigen Typ. Mit seinem Strohhut und dem gepflegt zotteligen Kinnbart würde er in einer hippen Backpackerrunde kaum auffallen. Auch das blaue Hemd und die schwarze Stoffhose mit den auf dem Rücken gekreuzten Hosenträgern würden da nicht weiter auffallen. Die beide jungen Frauen, mit denen er auf offener Strecke zugestiegen ist, umso mehr. Sie tragen die gleichen Farben: Kleider aus dezentem Blau, der Rest schwarz, vor allem die altmodischen Hauben, die ihre Köpfe und vor allem das Haar bedecken. Beide haben je ein Kleinkind auf dem Arm, der Mann noch einen Jungen an der Hand. Was sind das? Amish? Quäker? Irgend so etwas. Laut Reiseführer müssten es Mennoniten sein, die einen Großteil der hiesigen Milchviehwirtschaft betreiben sollen.

Es gibt eine ganze Reihe solch sehr religiöser Gruppen, die seit Jahrhunderten auf der Flucht vor Verfolgung oder vor ihrer Meinung nach zu großer staatlicher Einmischung nach Lateinamerika weitergezogen sind. Nur dass sie auch in Belize leben, wusste ich bisher nicht.

Auch der Rest des Landes scheint eine innige Beziehung zu Gott zu haben. In den Dörfern und Städtchen scheint jedes zweite Haus eine Kirche zu sein. An einer prangt der homophobe Spruch „God created Adam & Eve not Adam & Steve“.

Ein kleiner Junge kommt nach hinten und kauft meinem Sitznachbarn eine Tüte Zuckerwatte ab.

In der Reihe vor mit sitzen drei junge Schwarze. Der eine hat Kopfhörer im Ohr und singt lauthals mit: it’s a wonderful year! Seine Freunde lachen.

Draußen entlang des Hummingbird Highways, der nichts anderes als eine zweispurige asphaltierte Landstraße ist, sieht man nun Plantagen mit Orangenbäumen, vielleicht sind es auch Grapefruit.

Dann erreicht der Bus Dangriga. Es ist heiß, niemand ist weiß wie ich, der zweite Bankautomat funktioniert zum Glück, dafür haben Cafés etc. geschlossen. Mir wird schnell klar, dass ich weiter nach Hopkins will. Aber der Bus dorthin fährt erst in drei Stunden.

Zum Glück finde ich doch noch ein offenes Barrestaurant. Ich trinke im schattigen Innenraum einen eiskalten Grapefruitsaft. Im Fernseher über der Bar läuft CNN. Es gibt Liveberichte von den heftigen Schneestürmen im Nordosten der USA. Was für eine andere Welt.

Praktische Infos: hier.

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