grimo auf reisen

die welt liegt uns zu füßen

Marrakesch

Irgendwo rechts. Und dann nochmal rechts. Da hängt tatsächlich ein Zebrafell. Und eins von einem Leoparden. Die Haut eines ganzen Krokodils. Die gammeligen Überreste eines zerzausten Pelikans. Und noch ein Zebra. Und noch ein Krokodil.
Ich versuche das zu tun, was laut Reiseführer angeblich jeder Besucher in Marrakesch tut: sich im Gewirr des Marktviertels zu verlieren . In den schier endlosen Gassen mit den überquellenden Ständen. Kleidung. Schmuck. Teppiche. Taschen. Musikinstumente. Seifen. Gewürze. Hüte. Und alles nochmal von vorn. Dort dampft ein gutriechender Kochtopf. Da gibt es mal wieder frisch gepressten Orangensaft. Und hier am Ende der Seitengasse einer Seitengasse eben Tierfelle.
Stehenbleiben. Einen Moment sich umschauen. Unweigerlich werde ich sofort angesprochen. Ob ich die Leguane schon gesehen habe?, fragt mich ein älterer Händler. Oder diesen hübschen Vogel. Die kleinen Tiere drängeln sich in noch kleinere Käfigen. Er weiß natürlich, dass ich als Reisender keine lebendigen Tiere kaufen werde. Und tote schon gar nicht. Aber hat ja etwas besseres. Willst du Aphrodisiaka?, flüstert der Händler mit einem verschwörerischen Blick. Um die Frauen glücklich zu machen. Nein, nein, lehne ich dankend ab, das brauche ich nicht. Er schaut mich nochmal genauer an und sagt: aber in zehn Jahren. Dann, sage ich, komme ich wieder. Er lächelt und ich darf gehen.
Das ist die große Kunst hier: mit den Händlern reden, ohne sie zu verprellen. Es ist beileibe nicht so, dass einen jeder anquatscht und dann nicht mehr loslässt. Das stand zu befürchten, nach den eindringlichen Schilderungen im Reiseführer. Zwar gibt es sie wirklich, die Händler, die einen anquatschen, die in allen möglichen Sprachen versuchen herauszubekommen, woher man stammt. Die einen in ihren Stand oder Laden locken wollen. Die dir die Speisekarte eines Restaurants oder eines Streetfoodstandes unter die Nase reiben. Aber sie sind nur halb so aufdringlich wie befürchtet. Mal reicht ein dreifaches „non merci“, mal ein zügiges Weitergehen, mal auch nur ein Lächeln und sie lassen einen ziehen.
Selbst auf der Djemaa el fna, dem großen, unglaublich trubeligen Platz, der das Zentrum, ach was, das Herz von Marrakeschs Altstadt bildet funktioniert das. Einigermaßen jedenfalls. Da sind die Männer, die dir ihre Schlangen in die Hand oder um den Hals legen wollen. Foto! Foto!, rufen sie und wollen natürlich ein paar Münzen. Oder die anderen, die dir ihren Affen auf den Kopf setzen, wenn man nicht entschieden genug Nein! sagt.
Die Frauen, die kunstvolle Hennatattoos anbieten sind für
mich kein Problem. Ich habe das falsche Geschlecht und gehöre nicht zur Zielgruppe.
Ansonsten aber geht es hier in Genderfragen für ein muslimisches Land erstaunlich liberal zu. Zwar tragen die meisten Frauen Kopftuch, einige sogar eine Burka. Aber genauso sieht man vor allem junge Frauen mit absolut westlichem Kleidungsstil. Und in einem der vielen Zuschaurkreise, in deren Mitte man sonst nach Einbruch der Dunkelheit Akrobaten, Musiker oder Geschichtnerzähler sieht, steht eine sehr junge Frau mit langm, unbedeckten Haar und einem kurzen knallroten Pailettenkleid, die sich Showboxkämpfe mit jungen Männern liefert – und gewinnt! In einem anderen Kreis tanzt eine Gruppe vollverschleierter, aber bunt geschmückter Damen, die sich bei genauem Hinschauen dann doch sehr schnell als Männer in Frauenkostümen entpuppen.
Und über allem dann der Ruf des Muezzins. Am Rande des Platzes ein Moschee, so voll, dass selbst draußen noch rund hundert betende Männer stehen, nur ein paar Meter entfernt von den Trommlern, Tänzern und Händlern, die im Trubel der tausenden Menschen auf dem nächtlichen Platz ihr Treiben fortsetzen.
Es ist heiß.
In der Seitenstraße verkaufen ein paar Schwarze übergroße Armbanduhren. Schlafende Bettler hocken mit ausgestreckter Hand an einer Hauswand. Ein Eselskarren mit einer großen Ladung Zwiebeln versperrt den durch die Gassen flitzenden Mopeds den Weg.
Ich schleppe meine müde gelaufenen Füße zurück ins Hotel. Durch die Seitengasse der Seitengasse vorbei an ein paar spielenden Kindern bis zu der alten Holztür des Dar Nakhla. Oben auf der Dachterrasse ist es nahezu still. Der Nachthimmel ist voller grauer Wolken. Die Luft ist schwül, die Haut ist klebrig. Mein Zimmer hat Aircondition, was für ein wunderbarer Luxus.

Leave a Reply

Your email address will not be published.

You may use these HTML tags and attributes: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>