grimo auf reisen

die welt liegt uns zu füßen

Mein Freund und Helfer

Senor BecerraEs gibt auf Reisen immer Hoehepunkte. Echte Ereignisse. Manchmal sind das tolle Plaetze, historische Orte, wunderbare Landschaften. Am eindruckvollsten aber sind stets die Menschen, Menschen wie Senor Becerra. Mein Freund und Helfer hier in Trujillo.

Senor Becerra stand Sonntagabend etwas oberhalb der kleine Plazueta am Ende der Fussgaengerzone. Ich hatte nach etwas essbaren Ausschau gehalten. Weniger, weil ich Hunger hatte, sondern weil ich mir mal anderes als Reis con algo erhofft hatte. An der Strassenecke grillte ein Typ irgendein Fleisch auf Spiessen. Ich wollte gerade fragen, was das sei, da hat mich Senor Becerra von der Seite angesprochen. Ein Mann mit Uniform. Er stellt sich als Touristenpolizist vor, der hier rumsteht, und aufpasst, dass mir nichts passiert.

Und schon waren wir im Gespraech ueber Gott und die Welt. Ueber den neuen Praesidenten, den Senor Becerra offenbar nicht ganz so toll findet. (Fujimori damals, sagt Becerra, der habe das Land vorangebracht, aber der sitzt heute im Gefaengnis). Ueber die Bedeutung von Gott fuer das Entstehen der Welt. (Daran besteht fuer ihn kein Zweifel, was wenig ueberrascht, schliesslich waren hier am Sonntag alle Kirchen zu jeder Zeit voll). Ueber das Wachstum der evangelikalen Kirche hier in Peru. (Das ebenfalls unuebersehbar ist. Ich kam an einem alten Theater vorbei, in dem Evangelikale gerade mit gottlobender Rockband die Jugend begeisterten). Ueber auswandernde Peruaner. (Eine seiner Kolleginnen wohnt heute in Pankow, ich soll sie unbedingt besuchen). Ueber seine 28 bzw. 19 Jahre alten Soehne. (Nein, noch keine Enkel). Und dass ihm nur noch zwei Jahre fehlen bis zur Pensionierung. Dann will er sich einen Traum erfuellen. Eine Reise nach Brasilien zur Fussball-WM 2014.

Nach einer Stunde Unterhaltung, Hunger hatte ich ja zum Glueck eh nicht, hat er mir angeboten, mich am naechsten Tag zu den vor der Stadt liegenden Ruinen nach Chan Chan zu fahren. In seinem Auto. Er mache das gerne. Er wolle sich auf keinen Fall aufdraengen. Ich muesse mir keine Sorgen machen. Er zeigt mir seinen Ausweis. Seine Polizeimarke samt Nummer links am Hemd. Und das Namensschild auf der rechten Seiten. Da steht „Beccera“. „Das haben die falsch geschrieben“, bedauert Becerra, „die in Lima!“

dsc01151.jpg Weg in Chan Chan Wände in Chan Chan

Am naechsten Morgen steht er tatsaechlich beinahe puenktlich mit seinem Nissan vor meinem Hostal. Er muss noch schnell einen defekten Transformator umtauschen, den er fuer seinen neuen Computer braucht. Und schon geht es los, durch die Stadt. An der neuen riesigen Mall vorbei, die fuer ihn ein echtes Ergeignis ist. Er erklaert sie mir gleich dreimal. Chilenen mit Geld haben sie gebaut. Draussen vor der Stadt. Seither wachsen auf den Brachen drumherum jede Menge Neubauten aus dem Boden, in denen offensichtlich Leute mit Geld wohnen. Frueher, sagt Becerra, habe man hier ein Grundstueck fuer 100 Dollar im Monat bekommen. Aber niemand habe herziehen wollen, heute sei das alles unbezahlbar. Leute mit Geld, sagt Becerra, wohnen gern in der Naehe der Mall.

Dann kommt das Gelaende von Chan Chan. Hier lebten vor gut 1.000 Jahren die Chimu und haben riesige Palaeste gebaut, aus Lehmziegeln. Heute stehen noch Reste von neun dieser Palaeste, einen, den best erhaltenen, kann man besuchen. Eine eindrucksvolle Anlage in einer Wuestenlandschaft. Sehr viele, gut erhaltene Wandverzierungen zeigen immer wieder Symbole fuer das nebenan liegende Meer und den Himmel. Fische, Pelikane etc. Das Gelaende ist riesig. Senor Becerra fuehrt mich durch das Labyrinth der Gaenge und erklaert mir alles detailliert. Das heisst, offiziell tut er das natuerlich nicht. Er ist ja kein Guia, kein Touristenfuehrer. Und er hat schon auf der Fahrt zu der Anlage mehrfach gesagt, dass er gar nicht erst den Eindruck erwecken wolle, er mache hier als Polizist einen der ueblichen Nebenjobs und nehme den offiziellen Guias die Arbeit und das Geld weg. Zumal ihn hier tatsaechlich jeder kennt. Zumindest jeder, der eine Uniform traegt.

Ich nenne ihn fortan nur noch meinem Non-Guia, was ihm sichtlich gefaellt. Denn um Geld geht es hier tatsaechlich nicht. Er faehrt mich noch zu zwei weiteren kleinen Pyramiden der Chimu, er zeigt mir gut situierte Wohnviertel, in denen abends die Drogenmafia patroulliere und in denen viele teure Autos geklaut wuerden. Nicht um sie weiterzuverkaufen, sondern um von ihren Besitzern ein Loesegeld zu erpressen. Viele Jahre, erzaehlt Becerra, habe er auf dem Kommissariat gearbeitet. Erst seit drei Jahren sei er Touristenpolizist. Ihm gefalle das, er treffe Menschen. Er zeigt mir seine Sammlung mit Visitenkarten und handgeschriebenen Adressen aus aller Welt. Ich fuege ihm eine von mir hinzu.

Wenn Senor Becerra auch an seinen freien Tagen Geld verdienen will, dann arbeitet er als Wachmann auf dem parkaehnlichen Friedhof, an dem wir vorbeikommen. Aber manchmal fuehrt er einfach gerne Fremde durch seine Stadt. Und zum Essen. Ich wollte ihn gern einladen. Aber er laesst mir keine Chance. Er fuehrt mich in ein Kulturhaus an der Av. Independecia, ein paar Blocks unterhalb von meinem Hostal, direkt neben dem Buero der Touristenpolizei. In dem Haus, sagt Becerra, kann man Kunst studieren, Musik und Theater. Oben, quasi auf dem Dach, ist einen Art Mensa. Dort duerfen auch die Polizisten aus dem benachbarten Buero essen.

Es gibt, wie immer beim peruanischen Mittagsmenu, zwei Gaenge. Als primer plato empfiehlt er mir shambar, eine spezielle Suppe mit Fleisch- und Schweineschwarteneinlage sowie einer Art Pfefferminzblaettern darin. Das Ganze wird mit Saft aus frischen Limonen und Knoblauchsosse abgeschmeckt. Sehr lecker. Shambar, erklaert Senor Becerra, ist eine Spezialitaet hier in Trujillo und wird nur Montags serviert. Warum? Weil es Tradition ist!

Der zweite Gang ist dann wieder irgendwas mit Huhn. Dazu gibt es ein Glas frischen Saft.

Nein, ich darf nicht bezahlen. Senor Becerra laesst anschreiben. Er macht das immer so. Die kennen ihn hier ja. So wie ueberall.

Senor Becearra heisst mit Vornamen Cesar. Das erfahre ich beim abschliessenden Adressenaustausch. Menschen mit diesem Namen, sind in Peru offenbar besonders sympatisch und offen.

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