Die erste Lektion ist naheliegend. Dung, unser Guide mit seinem Pepitahut und den schwarzen Gummistiefeln steht vor einer Karte, auf der saemtliche Ruinen von My Son eingezeichnet sind. Aber bevor wir die besichtigen duerfen, muessen wir lernen, wo wir hier sind. „Es heisst: Mi Sonn! Nicht: Mei Sann!“, ruft der Guide. Die fuer alle englischsprachigen Reisenden naheliegende falsche Aussprache fuehre voellig in die Irre. Denn „My“ bedeute „Schoenheit“ und Son „Berg“. Zusammen heisst das also schoener Berg. Ein erster Blick auf die mit Dschungel dicht bewachsenen Berge ringsum bestaetigt diesen Eindruck. Die Reisegruppe ist ueberzeugt und ruft einstimming: „Mi Sonn!“ Jetzt, erklaert der Guide, seien eigentlich nur noch zwei Fragen offen. Wieso haben die Amerikaner My Son bombadiert? Und wo sind die Koepfe von den ganzen Statuen?
My Son ist eine alte Tempelanlage etwa 40 Kilometer von Hoi An entfernt. Sie wurde vor gut 1000 Jahren von den damals hier lebenden Cham errichtet. Die waren Hindus, entsprechend findet man Figuren von hinduistischen Gottheiten wie Shiva und aehnliches. Die Anlage selbst ist nicht sehr gross. Und nach dem Untergang der Cham war sie lange Zeit vergessen. Bis sie dann von Franzoesischen Archaeologen wieder ausgegraben wurde. Zu der Zeit waren die alten Tempel vollkommen vom Dschungel ueberwuchert. Und auch heute spriesst es ueberall auf und aus den Ruinen.
Und damit waere auch schon die eine der beiden Fragen beantwortet.“Where are the heads?“ Dung fuchtelt expressiv mit seinen Haenden, laesst die Besucher raten, bis sie schliesslich von selbst drauf kommen. Die Franzosen haben die Koepfe der Statuen mitgenommen. Einige sollen sich heute im Louvre befinden. Dung, der mit seiner dramatisch-humorvollen Art zu erzaehlen genausogut Showmaster im TV sein koennte, laesst keinen Zweifel daran, was er von dem Kulturtransfer nach Paris haelt. „Stolen by the french!“
Und auch fuer die zweite Frage gibt es eine klare Antwort. Nachdem Dung in einem der von innen pyramidenartigen Kulttempel sehr wortreich den „weiblich geformten Altar“ und den dazugehoerigen steinernen „Linga – it’s a penis and it’s very big“, erklaert hat, kommt er im dritten Haus auf sein Lieblingsthema zurueck. Hier stehen neben alten Gottheiten und zusammengesammelten Figurfragmenten auch drei Bomben, die auf dem Gelaende gefunden wurden. „B 52“, sagt Dung und meint die Flieger, die sie abgeworfen haben. Dann fragt er nochmals: „Why?“ Seine Antwort: Die Amerikaner haben einen Fehler gemacht. Sie glaubten, in den damals noch recht gut erhaltenen Tempelanlagen wuerden sich die Viet Cong verstecken. Deshalb wurde das Arreal bombadiert und zum grossen Teil zerstoert. Von den mehreren Tempelgruppen laesst heute nur noch eine einen Eindruck zu, wie es hier noch bis vor gut 40 Jahren ausgesehen hat. Der Rest liegt weitestgehend in Truemmern.
Aber, sagt Dung, die Viet Cong waren gar nicht hier! Er muesse es wisssen, denn sein Vater sei einer der kommunistischen Kaempfer gewesen. Und der Krieg in Vietnam sei der erste gewesen, den die Amerikaner verloren haben. Beides sagt unser Guide mit unubersehbarem Stolz. „But where were the Viet Cong?“ fragt Dung wild in die Runde blickend. Um gleich mit einem schelmischen Grinsen nachzulegen: „I will never tell you!“. Dann fuehrt er die Grupp zur naechsten Ruinengruppe.
Die Ruinen haben noch ein weiteres Geheimnis, das wesentlich aelter ist, als das Versteck der Viet Cong. Bis heute ist nicht sicher, wie die Cham die Ziegelsteine miteinander verbunden haben. Moertel jedenfalls kannten sie noch nicht. Eine Theorie besagt, sie haetten mit Harz von den Baeume, mit Oel und Honig gearbeitet, aber so richitig herausgefunden hat das noch niemand. Dass aber die Cham eine besonders wirkungsvolle Bauart gehabt haben muessen, zeigt sich in einer teilrestaurierten Huette. Da gibt es tausend Jahre alte Waende, deren Ziegel glatt und sauber sind. Und direkt daneben sind vor rund 20 Jahren nachgemauerte Waende zu sehen. Hier sind die Ziegel vollkommen mit Moos und Pilzen ueberzogen. „Ein Wunder!“, sagt Dung. „Aber davor hatten die Amerikaner keinen Respekt“.
Nachtrag 1:Die Tour wird in Hoi An in zwei Varianten angeboten. Bei der ersten geht es hin und zurueck mit dem Bus (4 Dollar). Bei der zweiten (6 Dollar) wird ein Teilstueck der Rueckfahrt auf hoelzernen Ausflugsbooten absolviert, die nach einem Zwischenstopp auf einer hauptsaechlich von Bootbauern bewohnten Insel ueber den breiten Fluss zur Altstadt von Hoi An schippern. Ich hab mich natuerlich fuer die zweite Variante entschieden. Insgesamt auch bei dem anhaltend miesem Wetter ein sehr lohnender Ausflug.
Nachtrag 2: Abends nochmal Cau Lau gegessen. Direkt am Flussufer, neben der ortstypisch mit Lampions erleuchteten Bruecke, von der man wunderbar die von innen elektrisch beleuchteten Drachen- und Schildkroetenskulpturen auf dem Wasser fotografieren kann, haben einige Garkuechen ihre Minihocker und Minitische aufgestellt. Ein bisschen kitschig vielleicht, aber ach …