grimo auf reisen

die welt liegt uns zu füßen

Draußen in Madrid – ein Abschied

Das war’s. Ein letztes pan con tomate, das ehrlicherweise das erste sein wird. Ein letzter café con leche. Im Hintergrund singt Joe Cocker, With a Little Help from my friends. Herr Oppermann ist noch im Bad.

Vor dem Haus in der Calle del Gobernador, das am Samstag nach der Demo besetzt wurde, fragt mich eine Fernsehfrau, ob ich aus dem Viertel bin. Sonst ist keiner da. Nur die Sonne scheint. Make Madrid great again, steht auf dem Transparent, das aus den Fenstern hängt.

Im Prado, gleich gegenüber, hängt immer noch der Jesus am Kreuz. Der von Diego Velazquez. Als wir ihn gestern endlich gefunden hatten, hatte Herr Oppermann keine Lust mehr. Noch so ein Jesus! Noch so ein alter Schinken. Weiter hinten warteten noch die Majas von Goya.
Aber Herr Oppermann hatte genug gesehen. Die Fratzen von Goya. Der zweifelnde Jesus im dunkelschwarzen Garten. Das ausgelassene Fest der Götter mit den Menschen bei Wein und Musik von …, ach, vergessen. Die Majas, die Bekleidete wie die Nackte, blieben für mich.

Die Sonne scheint. Heute soll es heiß werden. 28 Grad. Ich werde mit der Stadt nicht warm. Irgendwie. Ich stehe mittendrin und draußen. An jeder zweiten Ecke wird geschraubt, gedübelt, gepresslufthammert. Die Frauen tragen gerne Dekolleté. Die Autofahrer halten nicht am Zebrastreifen. Der Park am Sonntag ist eine Massenveranstaltung. Der Kaffee im Biergarten ist instant. Und die Bordsteine längst nicht so regelmäßig abgesenkt, wie man das aus anderen spanischen Städten gewohnt ist.
Madrid me mata, stand hier irgendwo an einem Haus, Madrid bringt mich um.


Die Kellner kommen, wenn man sich setzt, wenn man mal einen freien Tisch gefunden hat, zu dritt, schieben Stühle und Tische hier hin und dorthin, damit Herr Oppermann Platz findet, bringen die Karte und verschwinden dann für immer. Bis man stirbt vor Hunger, während alle anderen die leckersten Sachen serviert bekommen. Und ich werde deutsch, unheimlich deutsch. Sei nicht so ungeduldig, sagt Herr Oppermann. Und mahnt dann die Kellner an, die sich irgendwann noch erbarmt hatten, uns doch auch Besteck zum Essen zu bringen. Und Teller. Und Brot, ja, Brot wäre auch nicht schlecht. Und denken Sie noch an das Bier, das wir bestellt hatten, ja?

Die waren nur überfordert, sagt, milde wie immer, Herr Oppermann, als wir später woanders noch ein letztes Bier nehmen. Dort wo die Kellnerin uns auch um Mitternacht noch mit Tapas verwöhnt, auch wenn wir längst keinen Hunger mehr haben. Kartoffelsalätchen, Schinken und Käse, Oliven. Dort wo man dann schon aus Höflichkeit davon nascht. Dort wo die Tischnachbarn einem zwei Zigaretten schenken, wenn man nach einer fragt. Man raucht sie schon aus Höflichkeit.

Was bleibt? Fast unbenutzte Zehnertickets für die U-Bahn. Weil man in der Innenstadt besser alles zu Fuß machen kann, vor allem aber weil viele U-Bahnhöfe nicht im Ansatz behindertengerecht sind.

Was bleibt? Eine gute Zeit mit einem sehr guten Freund.

Was bleibt? Wir müssen noch Käse kaufen, Schinken, bevor der Flieger geht.

Was bleibt? Die Erfahrung, dass es das beste Essen oft in den unscheinbarsten Lokalen gibt, zum Beispiel auf dem Weg zum Königspalast im El Alcazar, dort wo die Alten mittags am Tresen stehen und eine Caña zur Tapa trinken, dort wo dann nicht das leckere Solomillo al Whiskey oder die Sepia al la plancha das Leckerste sind, obwohl auch die wirklich gut waren, sondern die Kartoffeln nach Art des Hauses, patatas alcazar, mit salziger Kruste und leckeren Soßen.
Was bleibt? Das Wissen der Kellnerin im Alma Café an der Calle Santa Isabel, dass der Stammgast auch am dritten Morgen einen Milchkaffee wünscht. Fast schon ein Stück Heimat also.

Was bleibt? Die Idee nochmal wiederzukommen, einzig wegen der Minitapas am Bacalao-Stand im zweiten Stock des Mercado San Antón. Nicht wegen denen mit Thunfisch, nicht wegen denen mit den Anchoas, nicht wegen denen mit Bacalao mit Honig, die auch alle wunderbar munden. Aber Wiederkommen möchten man wegen den Häppchen mit arenque con mostaza, Hering mit Senf. Hört sich unspektakulär an, ist aber ein Meisterwerk. So wie der Jesus am Kreuz von Velazquez.

Was bleibt? Das Wissen, dass einmal reicht, sagt Herr Oppermann. Madrid fehle einfach das Meer.
Ich war jetzt schon zum dritten Mal hier. Vielleicht werde ich beim vierten Mal warm mit Madrid.

Das war’s.

One response to “Draußen in Madrid – ein Abschied”

  1. Hallo Gereon!
    Habe mir jetzt endlich mal Zeit genommen, ein paar Deiner Reiseerlebnisse zu erschmökern….
    Du schreibst so unverschnörkelt – man fühlt sich richtig rein in die Situationen.
    Und eine Portion HUMOR ist auch immer dabei.
    Also, wenn man wirklich vorhat, mal nach MADRID oä zu fahren, sollte man Deine Berichte vorher lesen.
    Z.Bsp. diese Markthalle in Madrid, dieser FOOD-Tempel….. göttlich.
    Da würde ich am Liebsten direkt MORGEN HINREISEN.
    Schöne Idee von Dir
    LG aus BOCHUM – Christiane Finke

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