grimo auf reisen

die welt liegt uns zu füßen

Salta: Das Schlachtfest und die Mumie

1. Militärkapelle  2. Militärkapelle 3. Militärkapelle mit Tänzerinnen

Dann kommt der General Belgrano angeritten, hoch zu Ross, so wie man ihn landauf landab als Standbild kennt. Nur diesmal bewegt er sich. Als ueberdimensionaler, animierter Schattenriss auf der kolonialen Fassade der legislatura von Salta (dem Parlament der hiesigen Region). Aus dem off ertoent Belgranos martialischer Appell an seine Trupppen, sich nun mutig hinter die Fahne Argentiniens zu stellen und sich in die Schlacht zu stuerzen. Und dann geht es auch schon los. Von links stroemen die Soldaten der Unabhaengigketitsbewegung herein, von rechts die Truppen der realistas, der koenigstreuen Spanier. Untermalt mit Krach und Bumms und Zoing werden Bajonette schwungvoll in die Leiber der Gegner gespratzt – bis der Gegner am Boden liegt, die Fassade des Gebaeudes per Projektion zum

 Einsturz gebracht wird, die Bilder der drei fueherenden Genaraele – begleitet vom realen Applaus der Zuschauermenge -, und schliesslich, wir sind ja in einem katholischen Land, das Gelaeut der ebenfalls auf die Hausfassede projezierte Kirchenglocken ertoent und ein paar Bischoefe gezeigt werden. Dann startet auch schon das Feuerwerk. Diesmal ganz in echt, am Himmel ueber Salta.

Nuestra historia cambio la historia! (unsere Geschichte hat die Geschichte verandert!), steht hier alle paar Meter auf einem Plakat. El bicentenario de la batalla de Salta – den 200. Jahrestag der Schlacht von Salta, bei der es der Unabhaengigkeitsbewegung am 20. Februar 1813 erstmals gelang, ein Stueck der Kolonie den Spaniern zu entreissen, begeht die Stadt im Norden Argentiniens mit grossem Pomp. Ueber mehrere Tage. Schon am Montagabend waren gleich drei Blaskappellen unterschiedlicher Militaereinheiten auf der zentralen plaza aufmarschiert. Zu Pauken und Trompeten tanzte dort eine Folkloretruppe aus dem befreundeten Uruguay. Ein Redner lobte die blechblasenden Soldaten fuer ihre Arbeit, ihr taegliches Ueben an ihren Waffen, den Musikinstrumenten, mit denen sie fuer das Vaterland einstehen.

Am Dienstag geht es dann weiter. Diesmal spielt ein klassisches Orchester auf einer open air Buehne vor dem Parlament, auf das zwischendurch immer wieder Details aus der gloreichen Geschichte projeziert werden. Dann duerfen insgesamt 20 Saengerinnen, begleitet vom Orchester, Folklore-Klassiker darbieten. Die Menge vor der Buehne ist begeistert, die Frau rechts neben mir singt fast jedes Lied lauthals mit. Die links neben mir bewegt auch den Mund, allerdings wohl eher wegen des Kaugummis darin.

Es gibt auch ein kleines Haeuflein Gegendemonstranten. Sie fordern auf Plakaten, dass die grossen Firmen mal Steuern zahlen sollten. Sie schimpfen auf die Regierung, pfeifen, schlagen auf Toepfe und rufen den Einheitsslogan der Linken Latinos: „El pueblo unido jamas sera vencido“ (Das vereinigte Volk wird niemals besiegt werden).

Dumm nur, dass das Volk hier keineswegs einig ist. Im Gegenteil. Als die Musik beginnt, wird vielfach Ruhe eingefordert. Die Polizei draengt die Demonstranten recht rabiat ab, wofuer sie wiederum vor allem von jungen Frauen ein kraftiges hijos de puta! (Hurensoehne) entgegengeschleudert bekommt.

Als Hoehepunkt der Zelebration waren zwei offenbar bekannte Saenger angekuendigt, die um Mitternacht die Nationalhymne singen sollten. Da es aber leicht geregnet hat, ich am naechsten Morgen wegen der Tour nach Cachi frueh raus musste und mir diese Ueberdosis an Nationalismus etwas zu viel wurde, bin ich eher zurueck ins Hostel.

Tagsueber war ich durch die tatsaechlich recht huebsche Stadt geschlendert. Laut offiziellem Werbeslogan ist Salta so schoen, dass man sich in die Stadt verliebt. Das ist uebertrieben, aber es gibt doch einige schoene Kolonialbauten, huebsche Plaetze, eine eindruckvolle Kathedrale, in der mna tatsaechlich deutlich mehr Betende und Beichtende sieht als Touristen und die kleine, aber eindruckvolle Ausstellung im MAAM, dem Museo de Arqueologia de Alta Montana.

Dort werden drei Mumien aufbewahrt, die erst 1999 auf einem 6.700 Meter hohen Vulkan an der Grenze zu Chile gefunden werden. Deren Geschichte ist nicht weniger gruselig, als die der Schlacht von Salta. Es handelt sich um drei Kinder, die wahrscheinlich sechs, sieben bzw. 15 Jahre alt waren, als sie lebendig begraben wurden. Es gehoerte zur Tradition der Inkas, dass wegen ihrer Schoenheit und Makellosigkeit auserkorene Kinder fuer eine langwierige Zelebration auserwaehlt wurden. Erst wurden sie ueber tausende Kilometer in die Inkahaupstadt Cuzco im heutigen Peru gebracht. Dort wurden sie symbolisch mit anderen auserwaehlten Kindern verheiratet (was vor allem dazu diente, die einzelnen Regionen des Riesenreichs emotional zu verbinden – und somit letztlich dem Machterhalt des hierarchischen Staates). Dann wurden sie zurueck in ihre Heimat gabracht und dort schliesslich mit Chicha betaeubt und sitzend begraben. Nach dem Glauben der Inka starben sie nicht, sondern trafen sich mit den Ahnen.

Nicht nur die Geschichte ist gruselig. Auch das Betrachten der Mumie (es wird aus konservatorischen Gruenden stets nur eine der drei gezeigt) ist nicht ohne.

Reiseinfos:

Unterkunft: halbvoller 8er-Dorm im Hostal Correcaminos: 60 Pesos, ohne Fruehstueck. Netter, recht zentral gelegener Altbau, sehr entspannte Atmosphaere. Es war aber auch kaum jemand da.

Museen: MAAM: Eintritt derzeit 40 Pesos fuer Auslaender. Das Musem liegt direkt an den zentralen Plaza 9 de Julio. Gegenueber liegt noch das MAC (Museum fuer zeitgenoessische Kunst). Es zeigt gerade, wie koennte es anders sein, die Gegenueberstellung eines klassischen Schlachtgemaeldes mit einer zeitgenoessisch abstrakten Variante.     

2 Responses to “Salta: Das Schlachtfest und die Mumie”

  1. […] Salta: ansehnliche Stadt hoch im Norden, für die ich gerne wesentlich mehr Zeit gehabt hätte – schon wegen der reizvollen Landschaften hier in der Nähe, von denen ich leider nur die Straße nach -> Cachi und die Quebrade de -> San Lorenzo sehen konnte. Mehr dazu hier. […]

  2. […] dieser kaum bewohnten Berggegend ist. Weil ich vor einem Jahr bei meiner Argentinienreise nur bis Salta gekommen bin und ich mir nun den Rest angucken koennte. Weil es alles perfekt passt. Aber […]

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