grimo auf reisen

die welt liegt uns zu füßen

Celestún und der lange Weg zu den Flamingos

Rafa hat da klare Ansichten: „Dann musst du halt früher auftstehen!“ Aber gleich so, dass ich den Bus um 6 Uhr in der Frühe bekomme? Nein, das ist gerade nichts für mich. „Ich bin doch im Urlaub!“ Rafa lacht und zieht dabei die Augenbrauen hoch, so wie er das gerne macht.

Ich hatte ihn gefragt, wie man von Merida am besten zu den Ruinen von Uxmal komme. Er sagte mir, dass es Busse gebe. Um 12, um 9 und morgens um 6. Das sei natürlich der beste, weil dann am wenigstens los sei. Aber …

„Und nach Celestun?“, weiche ich aus. „Zu den Flamingos? Da gibt es auch Busse. Stündlich“, weiß der allwissende Tio. Vor Ort gebe es dann Boote, die einen ins Biosphärenreservat zu den Flamingos bringen. 300 Pesos pro Person, wenn man genügend Mitfahrer findet. Aber, da ist sich Rafa sicher, da gibt es immer welche.

Also krabbel ich mich am Samstagmorgen um kurz vor 8 aus dem Bett, stell mich unter die Dusche, Frühstücke schnell ein Marmeladenbrot, warte noch auf Jim, den Briten, der kurzentschlossen mit kommt, kämpfe unterwegs mit mir unverständlichen Geldautomaten und bin um kurz nach 9 Uhr am von Rafa genannten Busbahnhof. Der Bus fuhr um 9. Der nächste fährt in einer Stunde. Nun ja.

Jim erzählt von seinen Reisen, die mehr als längst sein Leben sind. Über Weihnachten war er kurz in London. Auf Familienbesuch, vier Wochen. Davor war er 10 Monate in Guatemala, die meiste Zeit hat er dort in einer Kneipe in einem Gringoort gearbeitet. Er hat auch schon fünf Jahre auf einer von der Kifferkultur geprägten Insel an der Westküste Kanadas gelebt und danach ein paar Jahre in London im Laden seines Bruders gearbeitet. Der verkauft Bedarfsartikel für den Heimanbau von Marihuana.

Nun will er erstmal in Mexiko bleiben. Ein halbes Jahr. Oder ein ganzes. Erstmal arbeitet er deshalb bei Tio Rafa im Hostel für ein paar Wochen. Dann will er weitersehen.

Zunächst aber kommt jetzt endlich mal unser Bus. Der quält sich eine Ewigkeit durch die Straßen von Merida, hält hier und da, unter anderem nach 15 Minuten Stop and Go auch an einem Busbahnhof, der viel näher an unserem Hostal liegt, was mich zum einen ein bisschen ärgerlich macht, weil wir hier den vorherigen Bus noch locker erreicht hätten, was mich zum anderen doch sehr an der Allwissenheit meines lieben Herbergsvaters Tio Rafa zweifeln lässt. Aber dann geht es endlich raus aus der Stadt in Richtung des 100 Kilometer entfernt an der Westküste Yucatans liegenden Celestuns. Zu den Flamingos.

Zweieinhalb Stunden später sind wir da. So ein Überlandbus hält halt oft, immer wenn irgendwo wer winkt. Und irgendwie winkt immer irgendwo irgendwer. Wir sind gut durchgekühlt. Der Fahrer hat gezeigt, was sein Bus so kann, vor allem was die Klimaanlage angeht. Ich war froh, dass ich mir spontan noch einen langärmeligen Pulli in den Rucksack gepackt hatte.

Und noch glücklicher bin ich darüber, als wir den Strand des angenehm ausgestorben wirkenden Urlaubsortes machen. Hier ist alles andere als Hauptsaison. Hier pfeift ein ordentlicher Wind über den Sand und den Sand in die Strandbars.

Wollen wir hier wirklich mit einer kleinen Schaluppe zu den Flamingos schippern?, fragen wir uns gerade, da fragt uns ein Typ, ob wir mit einer Lancha ins Naturreservat wollen. Wegen der Wellen würde man nicht übers Meer fahren, sondern gleich auf der ruhigen Lagunenseite starten. 1200 Pesos pro Boot, zu viert also 300 pro Nase – was rund 18 Euro wären. Wir sind aber nur zu zweit. Also warten wir erstmal und bestellen zum Aufwärmen einen Kaffee in der Strandbar, in die gerade der Sand weht. Es gibt klares heißes Wasser in Tassen und Nescafepulver.

Unser Tourmanager kommt zurück. Es gebe keine anderen Touristen, sagt er. Das war uns fast klar, denn im Bus saßen mit uns nur Einheimische. Aber er macht uns ein Angebot. Wenn wir niemandem davon erzählen, aber auch nur dann, könnten wir ausnahmsweise die Tour für 300 pro Person machen, obwohl der Mindestpreis pro Boot eigentlich bei 1200 liegt. Klar, wir sagen zu.

Zehn Minuten später steigen wir in das Auto von Antonio und Maria, einem junggebliebenen Rentnerpärchen aus Zentralmexiko. Wir sind also doch zu viert. Genauer gesagt zu fünft, Eduardo, unser Guia kommt ja auch mit. Vor allem darf ich nun wieder über die Preise reden und muss niemanden verheimlichen, dass wir beinahe viel zu wenig für ein Boot bezahlt hätten.

Am Lagunenhafen kommt schließlich die Lancha angeschippert. Doch noch müssen wir warten. Ein offiziell aussehender Typ hat was mit dem Bootsführer zu besprechen. Wir haben derweil Zeit die unzähligen Pelikane zu bewundern, die auf den unzähligen am Ufer liegenden Booten hocken. Meist auf deren Motor.

Es gibt Probleme, sagt Eduardo schließlich. Vor ein paar Tagen sei bei einer Tour das Handy eines Touristen nass geworden, der verlange nun Schadenersatz vom Schiffseigner, eigentlich absurd, aber solange das nicht geklärt sei, dürfe er keine weiteren Touren machen. Eduardo zuckt sichtlich bedauernd die Schultern. War die ganze Fahrerei also umsonst?

Naja, sagt Eduardo, er könne uns ersatzweise ja auch mit dem Auto der mexikanischen Rentner an eine Stelle außerhalb des Naturreservats bringen. Da stünden auch Flamingos, derzeit wahrscheinlich sogar mehr als im Reservat, weil dieser Ort windgeschützter liegt. Zudem will er dafür nur 75 Pesos pro Person.

Wir stimmen zu, bekommen einen Großteil unseres Geldes zurück und Musik. Im Autoradio läuft laut Displayanzeige „Luna Negra“ von „Los Cajalites“.

Good music, sagt Jim. Recht hat er.

Und dann sind sie da. Da vorne. 200, sagt Eduardo. Pink flamingos. Oder flamencos, wie die Vögel hier heißen. Auch das Wasser dieser extrem salzigen, allerdings vom Meer getrennten Lagune ist leicht rötlich. Das, erklärt Eduardo, komme zum einen von den rot blühenden Mangrovenpflanzen am Ufer, zum anderen von den Mineralien hier. Die wiederum würden von den vielen Shrimps hier im Wasser gefressen. Und die wiederum von den Flamingos, die erst dadurch ihre Farbe bekämen, je älter ein Flamingo, weiß Eduardo, desto roter. Ob sie denn niemals ihre Farbe verlören, will ich wissen. Hier nicht, sagt Eduardo, nur in den Zoos, denn dort fehle ihnen die Farbstoff gebende Hauptnahrung. Dafür würden die Vögel im Zoo bis zu 50 Jahre alt. Hier in der freien Wildbahn würden sie auch wegen der Hurricane höchstens 25. Doppelt so lange leben, aber stets ohne sein Lieblingsessen, resümiert Antonio, was für eine Strafe!

So, sagt Jim mit einem Blick auf die weiterwandernden Vögel, Pink Flamingos, die könne er jetzt von seiner To-Do-Lebensliste streichen. Ich erzähle ihm, dass ich schon welche oben in den Anden Boliviens gesehen haben. Was?, sagt Jim, und setzt Pink Flamingos an Bergseen in 4.500 Meter Höhe neu auf seine Liste.

Zurück im Ort bleibt noch Zeit für ein gutes Essen, ich wähle den einzigen Laden an der Plaza, in dem nicht nur überhaupt jemand sitzt, sondern in dem an drei der vier Tische Mexikaner sitzen. Es gibt frischen Fisch, ich darf mir einen aussuchen. Dazu Kartoffelbrei, etwas Salat, die unvermeidlichen Tortilla und die extrascharfe grüne Soße.

Perfektes Essen, perfekter Tag. Eigentlich waren wir viel zu spät losgekommen, eigentlich war der Ausflug zu den Flamingos schon gescheitert, aber alles wurde gut. Nein, sagt Jim, es wurde immer besser.

Am Strand finden wir kiloschwere, gigantische, in sich gewundene Muscheln, frisch angespült. Ein Paradies für Muschelsammler. „Guckt mal“, ruft später an der Bushaltestelle eine junge deutsche Reisende ihren beiden Mitreisenden zu, „der hat tatsächlich eine mitgenommen!“

„Ja, was denn sonst?“, sage ich. Mal sehen, wie lange sie bei mir bleibt.

Praktische Infos: hier.

One response to “Celestún und der lange Weg zu den Flamingos”

  1. […] Celestun und der lange Weg zu den Flamingos: die Busse von Merida fahren morgen jeweils zur vollen Stunde von einem Busbahnhof  an der Calle 50, Calle 67 für 56 Pesos. Für die Bootstouren wird man in Celestun gleich auf der Plaza angesprochen. […]

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