grimo auf reisen

die welt liegt uns zu füßen

Der Revolutionär und seine Fotos: Eine Ausstellung in der Geburtsstadt von Che Guevara zeigt, dass er viel mit der Kamera unterwegs war. Es ging ihm um ein Bild von Lateinamerika. Und von ihm selbst.

ROSARIO (gri) Ruinen. Die Pyramiden, Säulen und Ballspielplätze von Chichen Itza. Der Sonnentempel von Palenque. Die den Wald überragenden Bauten von Uxmal. Jeder Reisende, der heute durch den Südosten Mexikos zieht, hat solche Fotos von den eindrucksvollen Bauten der Maya en masse auf seiner Speicherkarte. Die, die gerade in Rosario in einem zu einem Kulturzentrum umfunktionierten Halle des alten Hafens hängen, sind dennoch besonders. Sie sind meist schwarz-weiß oder mit ausgewaschenen Farben. Häufig mit Schrammen und Schlieren. Und sie stammen aus den 50er Jahren, als das Bild von Lateinamerika noch vom europäischen Blick auf die „Armut der Unterentwickelten“ geprägt war – und nicht von der beeindruckenden Schönheit vergangener Hochkulturen.

Die Fotos machte ein junger Mediziner, der mit seinem Motorrad durch Lateinamerika reiste. Und der Jahre später als Revolutionär in Kuba bekannt wurde: Ernesto „Che“ Guevara.

Rund 200 Bilder zeigt die Ausstellung „Che – Fotografo“, die seine Geburtstadg eigentlich zum 90. Geburtstag des Revolutionsidols geplant hatte, die aber erst im Jahr darauf fertig wurde. Sie ist unterteilt in vier Blöcke. Ches frühe Reisen durch Lateinamerika. Sein Blick auf das nachrevolutionäre Kuba. Seine Reisen als Vertreter Kubas durch die Welt. Und seine Selbstportraits. Dazu gibt es noch ein paar Familienfotos, die ihn als Kind mit seinen Eltern zeigen. Oder später seine eigenen Kinder, zu denen er selbst wenig Kontakt hatte.

Überraschend sind dabei vor allem zwei Aspekte. Nicht nur bei seiner Motorradtour durch seinen Heimatkontinent, auch später als reisender Politiker fotografierte er vorwiegend die Überreste alter Kulturen. Die Cheopspyramide in Kairo, Tempelanlagen in Sri Lanka und Indonesien – und auch die zum Mahnmal umfunktionierten Ruinen in Hiroshima kann man dazu zählen.

Der Alltag der Menschen scheint den Revolutionär als Fotograf weniger spannend gefunden haben. Diesen Eindruck erweckt zumindest die hier präsentierte Auswahl. Nur von einer späten Reise durch Indien gibt es ein paar sehr eindrucksvolle Aufnahme des alltäglichen Lebens auf der Straße. Bei diesen wird dann auch die künstlerische Qualität der Fotos sichtbar. Bildaufbau und die gewählten Anschnitte geben den Werken eine Spannung, die den frühen Fotos fehlt.

Ganz anders sind Guevaras Fotos aus dem nachrevolutionären Kuba. Hier dokumentiert offensichtlich der Industrieminister die ersten Erfolge beim Aufbau des Landes. Sein Blick kommt von oben. Eine ganze Reihe der Bilder ist bei einem Überflug aus einem Hubschrauber entstanden.

Auf zwei Bildern ist Fidel Castro zu sehen. Sie zeigen den Revolutionsführer bei einer Rede vor einer Menschenmenge – einmal seitlich im Anschnitt, einmal von hinten. Diese ungewöhnliche Perspektive erzählt indirekt auch etwas über das Verhältnis des fotografierenden Commandante Che zu Castro.

Am spannendsten aber ist die kleine Auswahl von Ches Selbstportraits. Denn die schon damals zur weltweiten Popikone der Linken gewordene Figur des Revolutionärs mit wildem Bart und Mütze erkennt man nur auf einem einzigen der Bilder. Da präsentiert er sich als Schattenriss mit Zigarre im Gegenlicht, als Scherenschnitt, als Schablone. Auf allen andern Bildern aber, die ihn teils allein, teils scherzend mit Freunden oder im Kreis seiner Familie zeigen, erkennt man ihn kaum. Mal weil er sich offensichtlich in Agentenmanier bei späten Undercover-Auslandssätzen hinter einer dicken Brille und einem spießigen Hut versteckt. Mal weil er als ganz normaler junger Mann erkennbar wird, weit ab von jeder Ikonenhaftigkeit, die man bis heute an en T-Shirt-Ständen einer globalisierten Poplinken findet.

Leave a Reply

Your email address will not be published.

You may use these HTML tags and attributes: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>