grimo auf reisen

die welt liegt uns zu füßen

Der Radfahrer, der Hosen-Fan und der Palaestinenser

Peter (links), hier wenigstens mal vorn hinten mit einem posierenden GürteltierPeter ist Radfahrer. Seit Jahren schon. Seit Rio de Janeiro. Da ist er mal hingefahren, weil es einen guenstigen Flug gab. Und nach zwei Wochen hat er sich dann dort ein Fahrrad gekauft, um sich die Gegend anzuschauen. Seither strampelt er die Kueste ab. In Urlaubsetappen a sechs Wochen. Mittlerweile ist er das sechste Mal in Suedamerika. Hat Brasilien und Uruguay hinter sich gelassen und halb Argentinien. Alles mit dem Fahrrad. Mit den Bussen hat er es nicht so. Da muesste er sich ja

auf die Fahrkuenste anderer verlassen. Und das faellt ihm schwer. Der Fahrer bei der Rundtour ueber die Halbinsel, klagt Peter spaeter bei unserem gemeinsamen Bier am Abend, der sei ja ganz gut gefahren. Aber immer fast 100 km/h, dabei seien doch nur 60 erlaubt. Der Hamburger mit den grauen Haaren hat schlechte Erfahrungen gemacht mit fremden Fahrern. Damals vor 30 Jahren, erzaehlt er, da wollte er mit seiner Freundin nach Marokko. Aber die hatte ihren Pass nicht dabei. Also kamen sie nicht rueber nach Tanger. So sind sie dann nach Portugal gereist. Und von dort zurueck getrampt. Der Typ, der sie mitnahm, sei ihm gleich suspekt gewesen. Wir haetten, sagt Peter, nach 10 Kilometern wieder aussteigen sollen. Aber sie blieben. Bis Biarritz. Dort fuhr der Wagen gegen einen Baum. Peter brach sich das Schluesselbein. Sein Freundin hat den Unfall nicht ueberlebt. Seither faehrt Peter lieber selbst. Einmal wollte er mit dem Motorrad nach Australien. Er kam bis Thailand. Peter hat viel zu erzaehlen an den beiden Abenden, die wir auf der Terasse des kleinen Lokals kurz vor dem Strand von Puerto Piramides verbringen. Er kommt ganz schoen rum in der Welt. Auch heute noch, mit 54, ach nein, sind es erst 53 Jahre. Daheim im Hamburg arbeitet Peter beim oeffentlichen Nahverkehr. Er ist Busfahrer.

Leoandro wuerde in Deutschland kaum weiter auffallen. Der junge Schlacks hat ein europaeisches Gesicht, ganz anders als sein Freund Lukas, der schon mit seinen tiefschwarzen Haaren gleich als Suedamerikaner auffaellt. Aber Leandro sitzt zudem mit einem schwarzen T-Shirt am Tresen im Hostel. „Steh auf, wenn du am Boden liegst“, steht da drauf. Auf Deutsch. Er ist grosser Fan der Toten Hosen. Auch wenn er die Texte leider nicht versteht. Seine Grosseltern kamen aus Deutschland. Seine Mutter konnte auch noch deutsch, aber ihm selbst hat sie es nicht beigebracht, was er nun sehr bedauert. Aber zum Glueck singen die Hosen ja mittlerweile einige ihrer Songs auch auf Spanisch und geben Konzerte in Buenos Aires, was Leoandro schwer begeistert hat. So sehr, dass er jetzt sogar wie der Hosen-Saenger Campino Fan von Fortuna Duesseldorf ist. Eigentlich schwaermt er ja fuer Racing. Das heisst, er ist socio, also Mitglied eines Fanclubs. Stolz zeigt er seinen Ausweis. Und noch stolzer ist er darauf, dass die Fans von Racing die groesste Fahne der Welt haben. Er schenkt mir ein kleines Foto. Es zeigt die Fankurve im Stadion. Sie ist komplett bedeckt, von oben bis unten, von rechts nach links durch eine einzige blau-weisse Fahne. Im wirklichen Leben ist Leoandro Unix-Administrator bei einer international arbeitenden Firma. Das hat einen grossen Vorteil: als Programmierer kann er groesstenteils von zuhause arbeiten und muss nicht wie sein Kumpel Lucas jeden Tag morgens zwei Stunden hin und abends zwei Stunden wieder zurueck fahren. Mit seinem Motorrad ginge es schneller als mit Bus und Bahn, sagt Lucas. Aber das sei ihm zu gefaehrlich, wegen der vielen Ueberfaelle.

Nazir ist aus Palaestina. Aus Haifa, sagt er. Das ist in Israel, oder?, frage ich meinen Bettbachbarn. Ja, sagt er, aber ich nenne es Palaestina. Die, sagt er, haben uns unser Land weggenommen. Und schon sind wir hier im Gemeinschaftsschlafraum des Hostels in eine Debatte ueber den Nahostkonflikt gerutscht. Nazir ist Palaestinenser und Christ. Er haelt nichts von der Hamas. Er sehnt sich nach gegenseitigem Respekt und Akzeptanz. Er aergert sich ueber die Konflikte zwischen den Religionen, bei denen es doch immer nur um Macht gehe. Er erzaehlt von den wenigen Bars, die in Haifa von Juden und Arabern besucht werden duerfen. Er klagt, dass er in Israel als Buerger zweiter Klasse behandelt werde. Er laedt mich sein, sein Land zu besuchen. Nazir hat eine Firma fuer Webdesign. Sie sei ganz erfolgreich, sagt er. So erfolgreich, dass er jetzt nach zwoelf Jahren erstmal ausgestiegen ist und ein Jahr lang durch Suedamerika reist. Um den Kontinent kennenzulernen. Und die Sprache. Um anderen Menschen von seinem Palaestina zu erzaehlen, dem Alltag dort, der auch aus Freundschaften zwischen Juden und Arabern bestehe. Und um herauszufinden, was er als naechstes machen soll. Vier Monate hat er schon hinter sich. Vielleicht, sagt Nazir, mache dann irgendwas mit Tourismus. Jetzt faehrt er erstmal weiter nach Cordoba.

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