grimo auf reisen

die welt liegt uns zu füßen

Gestrandet: Coronaferien in Marokko (1), Samstag

Am Himmel lachen die Möven, unten in der Bucht brandet das Meer. Ka schüttet nochmal Kaffee nach und Eff muss sich entscheiden, ob er lieber in Mamas Marmeladenbrot beißt, mit den Billardkugeln spielt oder den Babykatzen hinterherjagdt, die hier über die Dachterrasse unseres Hostels wuseln. „Und ihr?”, fragt eine der FranzösInnen, die es sich auf dem rot-orangenen Hippiesofa unter dem an die Wand gemalten VW-Bus bequem gemacht haben, „kommt ihr auch nicht mehr weg?“

Kommt ihr was bitte?

Es ist der letzte Tag unseres Kurztripps nach Marokko. Nochmal urlauben, bevor das zweite Kind kommt. Kas Bauch ist schon sehr rund. Ein bisschen Geschichte und Kultur in Essaouira und Marrakesch, ein paar Tage am Strand in Taghazout, was immernoch ein Fischerort ist, in dem aber jede Unterkunft das Wort „Surf“ im Namen trägt.

So war das geplant.

Am Sonntag soll es zurückgehen nach Berlin. Und ja, wir haben uns Sorgen gemacht, wie es da wird, wenn es im Supermarkt kein Klopapier mehr gibt (man liest davon auf Twitter) und wenn wir schauen müssen, wohin mit dem kleinen Eff, weil die Kita schließt (die WhatsApp-Gruppe der Eltern hält einen auf dem Laufenden). Aber dass uns die Coronakrise schon hier einholen sollte? Nein, das stand nicht auf dem Programm.

Klar, auch in Marokko gibt es erste Fälle, Infizierte die aus Krisenregionen oder so eingereist sind. Es ist etwa so wie Mitte Februar in Deutschland, als alle begannen nach Italien zu schauen (erinnert sich noch jemand daran?). Ja, Corona ist ein Thema. Aber noch sehr weit weg. Bis zum Frühstück am Samstag.

Die Französin klärt uns auf, dass sämtliche Flüge nach Frankreich und Spanien gestrichen wurden. Dass Marokko auch schon die Fährverbindungen gekappt hat. Und dass sie jetzt nicht weiterwissen. Weil es kein Zurück gibt.

Eff wirft eine seiner kleinen Kugeln. Sie verfehlt die Tochter der Französin. Alles kein Problem, alles nur ein Spiel.

Und auch das Reisen bleibt leicht. Für uns. Noch. Die Flüge nach Deutschland stehen weiter im Plan. Wir können bei Eurowings sogar problemlos einchecken und uns gute Plätze aussuchen für den Rückflug am Sonntag. Wir gehen beruhigt zum Strand, ein letztes Mal.

Zwei junge Frauen aus Deutschland überlassen uns ihre Sonnenmilch. Sie müssen jetzt zum Bus nach Marrakesch. Von dort geht morgen ihr Flieger. Ja, sind sie sicher, der geht. Ein Marokkaner aus Baden-Württemberg fragt, ob wir etwas gehört haben? Er muss am Montag zurück. Dann, so sein aktuelles Gerücht, gingen die letzten Flieger. Bis jetzt, beruhige ich ihn, ist alles gut. Wir haben schließlich unsere Boardingpässe im Handy.

Dass die nichts wert sind, erfahren wir am Abend. Der Flugverkehr zwischen Marokko und Deutschland werde ab Sonntag 9 Uhr Ortszeit eingestellt, für mindestens zwei Wochen, heißt es nun auf der Webseite der Deutschen Botschaft Rabat. Einziger Tipp: Man solle versuchen, einen Flug über einen Drittstaat zu finden.

Und was sagt Eurowings? Nichts. Wir bitten Kas Mutter, daheim in Deutschland mal da anzurufen. Sie hängt zwei Stunden in der Warteschleife der Hotline. Dann erklärt ihr ein freundlicher Mensch im Callcenter, dass er nichts von einer Streichung des Fluges wisse. Er gibt ihr aber noch eine andere Nummer. Dort erfährt sie nach einer weiteren Wartestunde, dass der Flieger nicht fliege und Umbuchen angesagt sei. Dafür will der deutlich kompetentere Mitarbeiter Kas Mutter irgendwohin durchstellen. Sie fliegt aus der Leitung. Es ist mittlerweile Mitternacht.

Im Internet finden sich tatsächlich noch Umwege über Drittstaaten. EasyJet fliegt nach Genf. Ausgebucht. Pegasus fliegt über Istanbul. Aber hat die Türkei nicht auch längst alle Verbindungen nach Deutschland gekappt? Und dann ist da noch die Verbindung über Doha. Doha? Wo war das nochmal? Ah, Katar, verrät Google. Der Flug kostet ein paar Tausend Euro. Nur die Garantie, dass man ins Coronaland Deutschland weiterkommt, die fehlt auch hier.

Gerade hat man noch in einer globalisierten Welt gelebt, in der man sich zumindest als privilegierter Deutscher keine Gedanken darüber machen musste, wie man von A nach B jettet. Und nun? Bringt ein Virus alles ins Wanken.

Ka fragt auf Twitter, ob andere ähnliche Erfahrungen gemacht haben.

„Willst du nicht einfach dort bleiben?“, twittert ein Kollege aus Berlin zurück. Dort gingen eh gerade die Lichter aus.

Stimmt ja. Und hier leuchten die Sterne am klaren Nachthimmel über der Dachterrasse. Ja, es könnte schön sein. Wenn Kas Bauch nicht wirklich schon arg rund wäre. Und wenn da nicht der Gedanke im Hinterkopf rumpelte, was wohl passiert, wenn sich auch hier in Marokko das Virus breit macht.

One response to “Gestrandet: Coronaferien in Marokko (1), Samstag”

  1. […] meinem Reiseblog habe ich in vier Teilen (eins, zwei, drei, vier) über die unfreiwilligen Coronaferien […]

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