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Marrakesch – Djemma el Fna

Kann es sein, dass der Platz heute noch voller als gestern ist? Ja, es kann sein. Es sind Tausende, die sich auf dem nächtlichen Djemma el Fna in Marrakesch drängen. Die sich vergnügen, einfach nur hin und her spazieren. Oder zu einer der Menschentrauben hinzugesellen, die die Gaukler und Musiker umringen.
Ich lasse mich durch die Menge treiben – und werde immer wieder von der Seite angesprochen. Kokain? Eine Massage? Viagra? Ein Abendessen? Frauen? Irgendetwas fehlt noch. Aber ja: Haschisch?, raunt mir ein junger Mann ins Ohr. Ein Wunder, dass ich ausgerechnet auf dieses Angebot fast am längsten warten musste.

Überreden lasse ich mich schließlich doch, aber nur zu einem Abendessen an einem der rund 50 Essenstände mit den freundlich aufdringlichen Kellnern. Ich setze mich an einen der lange Tische, lasse mir Tajine aux viandes (Gemüse, Kartoffeln und etwas Fleisch in einem Keramiktopf), salade marocaine (viele Tomaten, Zwiebeln mit Öl), eine Cola, das dazugehörige süßliche Fladenbrot, die Chilisoße und den sehr süßen Pfefferminztee schmecken, während mir im Minutentakt alte Frauen oder kleine Mädchen Papiertaschentücher verkaufen wollen.

Dann schlender ich weiter vorbei an den über 50 kutschenartigen Verkaufswagen, die alle den identischen, frisch gepressten O-Saft anbieten, hinüber auf die andere Hälfte des riesigen Platzes, der der Show gehört.

Da ist zum einen das Glücksspiel. Mal muss man Münzen auf ein am Boden liegendes Holzbrett so werfen, dass sie komplett in einem der über 100 Zahlenkreise liegen bleiben. Trifft man beispielsweise die höchste Zahl, die 20, bekommt man die Münze 20fach zurück. Klingt einfach, gelingt aber kaum jemanden. Stattdessen sackt der Typ mit dem Brett die Geldstücke bergeweise ein.
Oder man muss mit langen, spindeldürren Holzstäben eine Zigarettenschachtel in einen 20 Zentimeter entfernten Plastikbecher transportieren, dann darf man die behalten. Oder man versucht mit einer drei Meter langen Angel einen Plastikring über eine große Flasche Cola oder Fanta oder Sprite zu stülpen. Auch das gelingt praktisch niemandem, obwohl unglaublich viele ihr Glück versuchen.

Dann ist da die Abteilung Lebenshilfe. Männer, die am Boden hockend mit Ketten, Kerzen und alten Schriften die Zukunft deuten. Und andere die mit Hilfe dramatischer Schaubilder Tinkturen, Salben oder Saugnäpfe bewerben. Einer hält die schematische Zeichnung eines Penis hoch, redet wild gestikulierend auf sein junges, ausschließlich männliches Publikum ein, das unsicher lächelnd und kichernd, teils gar errötet im Halbkreis steht. Man kann sich ausmalen, was der Mann da im Angebot hat.

Und schließlich sind da die eigentlichen Showacts, stets umrunded von 30, 50 oder auch mal mehreren hundert Menschen. Meist hocken in der Mitte vier Trommler und einer spielt ein gitarrenähnliches Instrument, ein Banjo zum Beispiel, das man im Lärm der Trommeln aber kaum hört. „Das ist Berbermusik“ , quatscht mich erklärend ein junger Mann von der Seite an. Die Gruppe sei sehr bekannt, spiele schon seit 20 Jahren hier auf dem Platz. Und ihre Lieder handeln von Freiheit oder der Schönheit der Blumen.
Er selbst, sagt der junge Mann, habe gerade sein Studium beendet und beginne nun als Touristenführer zu arbeiten. Es bleibt unklar, ob er mich jetzt aus purer Freude oder mit geschäftlichem Interesse adoptiert, jedenfalls führt er mich fortan von Menschentraube zu Menschentraube und erklärt mir, was es dort zu sehen gibt.

Erst sind da zwei Komiker, die sich Jesus und Mohammed nennen und eine – wenn ich das dreckige Lachen der Umstehenden richtig interpretiere – derbe Komik mit Akrobatik kombinieren. Die kommen aus Algerien, weiß mein Begleiter und führt mich zu den nächsten Gruppen. Zunächst ein paar arabische Musiker, die in meinen Ohren sehr wie die Berber klingen, aber was weiß ich denn schon. Dann eine Gruppe wild tanzender und mit großen Schellen klappernder Saharouis, dann nochmal in hübsch bestickte Kaftans gekleidete Berber. Schließlich will er mich noch zu den Ägyptern bringen. Das sind die Männer, die in Frauenkleidern tanzen, weil Frauen in der Öffentlichkeit ja unmöglich ihre Hüften schwingen könnten, erfahre ich noch, bevor mein Guide begeistert weitereilt, so schnell, dass ich ihn im Trubel aus den Augen verliere. Nun denn.

Also drehe ich noch alleine ein Runde, vorbei an den rund 60 Kutschen, die an der Straße zur großen Moschee nicht ohne Erfolg auf Kundschaft warten. Ich genieße den fast schon lauen Wind, der jetzt über den Platz weht und stelle fest, hier bei diesem grandiosen, unglaublichen und offenbar allnächtlichen Theater auf der Djemma el Fna fehlt eigentlich nur eins: die Masse westlicher Touristen. Es gibt sie zwar, Spanier vor allem, Engländer, Italiener und eine Handvoll Deutsche. Aber in diesem Trubel marrokanischen Nachtlebens gehen sie fast unter. So wie der Ruf des Muezzins, der über den Platz schallt, ohne dass das irgendwen groß zu beeindrucken scheint.

Auf dem Rückweg zum Hotel sitzt an jeder zweiten Ecke eine Katze.

One response to “Marrakesch – Djemma el Fna”

  1. […] nachts natürlich, auf der Djemma el Fna, auf dem zentralen Platz, aber das ist eine andere […]

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