grimo auf reisen

die welt liegt uns zu füßen

Reisen mit dem lächelnden Kind

Dieser Text erschien während der Reise nur auf Facebook, weil damals der Blog defekt war, er wurde jetzt hier nachgetragen.

MONTEVIDEO (gri) Vor einem Jahr gab es diese drei Namen. Fridolin. Pepe. Karl. Und weil sie mir im Kopf rumspukten, hatte ich einen Song daraus gemacht, El Gran Carlito. Die Namen sind geblieben, oder mehr noch: seit sieben Monaten gibt es einen Menschen, der so heißt und jetzt mit uns reist. Ein Abenteuer.

Der Kleine ist nicht das Baby zum Song. Absolut nicht. Aber eine Zeile aus dem Text, die durchaus als Hoffnung, als Wunsch formuliert war, ist mir seit Tagen wieder sehr präsent: El Gran Carlito, heißt es da, rettet die Welt mit einem Lächeln.

Und das tut der Kleine ohne Unterlass. Vielleicht rettet er sie nicht, aber er begeistert die Welt. Mit seinem Lächeln. Immer wieder bleiben Menschen stehen, jauchzen, wenn sie ihn sehen, rufen „que hermoso“, beglückwünschen uns, weil er „muy sympatico“ sei. Und wer kann, nimmt ihn gleich auf den Arm, so wie am Samstag die Frau von dem kleinen Eckcafé in Colonia, die uns dann gleich ihre ganze Geschichte erzählt hat. 7 Kinder von zwei Männern, 13 Enkel, und jetzt mit Mitte 50 hat sie gerade dieses Café übernommen – vor drei Tagen. Fridolin sitzt auf ihrem Arm und strahlt.

Oder Edgardo, unser Zimmervermieter in Colonia, der fragt, ob er eine Foto von Fridolin machen darf, um es seiner Nichte und Freunden zeigen kann. Und der stolz erzählt, dass sein Neffe als Baby auch blond war, jetzt als Erwachsener aber dunkelhaarig ist, wie fast alle hier.

Fridolin ist überall ein guter Grund ins Gespräch zu kommen. Mal mit dem lesbischen Paar aus Buenos Aires am Strand von Colonia, mal mit der jungen Frau neben uns im Bus nach Montevideo, mal abends mit einer junge Frau vor der Tischtennisbar in Palermo.

In der U-Bahn, der Subte von Buenos Aires, zupfen gleich mehrere Menschen an meinem Arm, um mir ihren Platz anzubieten, wenn ich Fridolin trage. In der Pizzeria bekommen wir einen gigantischen Teller mit Kartoffelbrei – umsonst für das Kind.

Und lächelnde Menschen, die vor Glück strahlen, weil sie unser Baby sehen. Es una nene?, fragen manche. No, es un baron, antworten wir. Ist es ein Mädchen? Nein, ein Junge. Es folgen Ahs und Ohs und entzückte Blicke. Und ein tolles Gefühl bei den Eltern.

Und Fridolin? Lächelt. Zwei-, dreimal hat er gewunken. Absicht oder nicht? Egal. Vollkommen egal. Auch die Eltern lächeln oft.

Und wenn er mal nicht lächelt? Ja, klar, auch das kommt vor. Aber da hilft eine der besten Entscheidungen, die wir kurz vor der Abfahrt in Berlin getroffen haben. Lange hatten wir überlegt, wie wir ihn hier transportieren wollen? Im Marsupi, dem Tragegurt, den er fast von Geburt an kennt, aus dem er aber langsam rauswächst? Oder in einer Kraxe, einem Gestell, das man wie einen Rucksack trägt, in dem Kleinkinder sitzen können, für das er aber eigentlich noch ein, zwei Monate zu jung ist? Oder sollen wir den Kinderwagen mitnehmen, was im Flugzeug kein Problem wäre, aber vor Ort in den Bussen?

Zwei Tage vor dem Abflug hat Katharina andere Menschen mit Kleinkindern in Berlin auf der Straße angesprochen und nach ihren Erfahrungen gefragt. Darunter ein Paar mit Zwillingen, das gut mit einem Ergobaby-Tragegurt zurecht kam – und diesen gerade verkaufen will, weil sie ihn nicht mehr brauchen. Perfekt!

Ergobaby ist so eine Art Marsupi für Fortgeschrittene. Für Kids bis zu 15 Kilo, die man vor dem Bauch, an der Seite oder auf dem Rücken tragen kann. Vorn sogar so, dass er entweder sich an die Brust der TrägerIn schmiegen kann oder mit dem Gesicht voraus blickt. Das mag Fridolin besonders gern. Er gurrt und quiekt und wackelt mit Händen und Füßen und rettet die Welt mit einem Lächeln.

Mit dem Gesicht zur Brust aber ist es ein hervorragend beruhigender Schlafplatz. Gerade pennt er tief und fest bei Katharina, während wir mit dem Bus durch die sattgrüne Pampa von Uruguay fahren – vorbei an Bäumen, Kühen, und dann und wann an einem Hahn.

Und sonst?

Windeln sind unglaublich teuer. Ein Grosspack seltsam parfümierter Pampers kostet so viel wie ein Abendessen für zwei im schicken Restaurant.

Wickeltische sind eine Rarität. Wir haben erst einen einzigen hier gesehen. Aber wir ernten nirgendwo komische Blicke, wenn wir die Windel in aller Öffentlichkeit wechseln. Gleichzeitig haben wir noch nie jemand anderes gesehen, der das in der Öffentlichkeit macht. Als wir am Strand von Colonia förmlich zugeschissen werden, eilt eine Frau vom benachbarten Handtuch herbei und bietet uns Taschentücher an.

Es ist verdammt gut, einen Pürierstab dabei zu haben, um Brei zu mixen. Und eine Reibe für Äpfel.

Stillen in der Öffentlichkeit ist kein Problem. In Buenos Aires haben wir sogar eine Frau gesehen, die ihr Kleinkind im Laufen beim Überqueren einer Straße angelegt hatte.

Kinder sind etwas vollkommen selbstverständliches. Selbst abends nach 22 Uhr bei einem Konzert auf der Straße ist Fridolin nicht das einzige Baby und niemand guckt komisch. Bei all unseren Gesprächen hier werden wir nach allem möglichen gefragt, wie Fridolin heißt, wie alt er ist, wo wir herkommen. Aber niemand ist auch nur annähernd erstaunt, dass wir mit einem sieben Monate alten Baby durch die Welt ziehen.

Lächeln hilft. Immer.

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