grimo auf reisen

die welt liegt uns zu füßen

Toledo – eine Stadt wie ein Thron

Irgendwo spielt immer wer Gitarre. Stimmt zwar nicht, klingt aber gut. Vor allem auf der Plaza El Salvador, die sich weit und eben, neben die moderne Architektur des Stadtarchives in das historische Zentrum gemogelt hat. Ein Richard-Serra-rostiges Behinderten-WC unter schattenspendenden Bäumen, gleich nebenan breite Rampen mit glatten Pflaster, auf dem man wie über Butter zum Restaurantgarten des Quiosco de Caracena hinaufgeleitet. Und im Hintergrund der Gitarrist mit der Reibeisenstimme, ein paar Meter abseits der Touristenströme, die auf der Calle La Trindad vorbeiziehen. Er spielt mehr für sich als für die. Oder für uns. Glauben wir jetzt mal. Denn so gut ist Toldeo zu uns.
Wir könnten auch jammern. Wegen der Steile und Enge der Gassen, die schon die Fahrt hoch zu unserem Hotel für mich zur Hölle machte (und der Gedanke, dass ich ja auch noch wieder raus und runterfahren muss, macht das auch nicht gerade besser). Oder wegen der exquisiten Auswahl an Kopfsteinpflaster aller Holperklassen, die Herrn Oppermann stöhnen lassen. Aber jammern? Das hatten wir ja schon in Cáceres und Trujillo gemacht. Jetzt sind wir schon an die Unbill spanischer Altstädte gewohnt und stürzen uns einfach ins Vergnügen.
Denn das bietet Toledo allemal. Die Stadt steht wie ein Thron in der Landschaft, oben auf einem Felsblock, der von einem Fluss umschlängelt wird. Es gibt Rolltreppen, die die Touristengruppen von den unten vor der Stadt liegenden Busparkplätzen hochschieben. Mehr muss man eigentlich nicht wissen. (Vielleicht noch das: ich habe Muskelkater in Armen und Waden vom Rollischieben und -bremsen).
Ach doch, die Touristengruppen, die wie überall auf der Welt einem Menschen mit erhobenem Regenschirm, einer Frau mit gelbem Schild, einem Mann mit rosa Fähnchen folgen, füllen auch diese Stadt. Nur dass sie hier wie Wellen wirken, die durch die engen Gassen branden und alles schlucken, alles mitreißen, was sich ihnen in den Weg zu stellen versucht. Vor allem die nach Vanille duftenden Horden französischer TeenagerInnen sind gefährlich. Am besten man reagiert auf sie, wie auf einen der Lieferwagen, die es auf unerfindliche Weise auch schaffen, irgendwie hier durchzukommen: man flüchtet in einen Hauseingang oder besser noch in eine Seitengasse und lässt sie vorbeiziehen.


Oder man springt in einen der unzähligen Läden, die hier das ortsübliche Angebot für die speziellen Mitbringsel haben: Es gibt zum einen Schmuck, hier gern unter dem Label Damasqueno beworben, der an die alte arabische Vergangenheit Toledos anzuknüpfen scheint und feinstes Goldschmiedehandwerk anbietet, bei denen ein Teller schnell ein paar Hundert Euro kostet. In den höher frequentierten Einkaufsstraßen steht bei solchen Läden dann gern eine Ritterrüstung im Eingang („bitte nicht berühren“), denn drinnen gibt es auch Schwerter und Dolche.
Und dann gibt es hier die lokalen Delikatessenläden, die neben Manchego-Käse vor allem feinstes Marzipan in allen Formen anbieten. Diese Köstlichkeiten werden sogar von den Nonnen in hiesigen Klöstern in Handarbeit gefertigt und dann verkauft. Kleine süße Sünden mit Segen von oben.


Wer die Stadt ohne Touristen erleben will, muss im Hochsommer kommen, sagt Michi, ein deutscher Ingenieur, der hier für Airbus arbeitet und den wir abends im agapo, einer Indie-Musikbar an einer kleinen, netten Plazuela kennenlernen. Ab Ende Juni, sagt Michi, sei die Stadt leer, weil die Studenten dann in ihrer Heimatstädte zurückfahren. Und weil bei weit über 40 Grad Hitze auch kein Tourist mehr durch die Gassen schwitzen möchte.


Zum Schluss noch ein echtes Highlight, wie wir es so noch nicht erlebt haben: An der Plazuela Barrio Rey, gleich gegenüber unserer Lieblingsbar agapo, die zwar gute Musik, kühles Bier und dazu kostenlose Tapas, aber kein Klo für Rollifahrer bietet, liegt La Cofreria, ein wenig ansprechender Laden, in dem man Essen kann, was aber kaum jemand tut. Herr Oppermann dürfte dennoch nicht nur aus der vollen Nachbarbar hereinrollen. Nein, mehr noch. Als der Besitzer seinen ehe leeren Laden gegen Mitternacht schloss, kam er extra zu Holger an den Tisch und sagte, er lasse die Tür offen, nur für ihn, damit er dort weiter aufs Klo könne.
Gracias!!!

3 Responses to “Toledo – eine Stadt wie ein Thron”

  1. Michi sagt:

    Ich hoffe, ihr seid gut am Morgen aus den Federn gekommen. Danke nochmals für den lustigen u. interessanten Abend.
    Ich wünsche euch einen guten Abschluss eurer Reise.

    PS:
    Toledo ist am Wochenende so von Touristen überfüllt, dass ich selbst darüber lästere.
    Aber gegen 8 Uhr abends ist es schon wieder ein bißchen ruhiger.
    Dafür gehen ab Donnerstag Abend die Junggesellenabschiede umher. Mit tosenden u. verkleideten Freunde u. Freundinnen wird feucht fröhlich der Junggeselel betrauert.
    Ähnlich wie bei uns Nürnberg, man hat einen Grund eine historische Stadt zu besuchen ohne, dass es für Junge Leute Langweilig ist.

    Saludos Michi

  2. herr oppermann sagt:

    Hallo Michi, auch Dir vielen Dank für für Deine Gesellschaft und den durchaus anregenden Abend. Und auch nochmal vielen herzlichen Dank für Deine Einladung .
    Wenn es Dich mal nach Düsseldorf verschlagen sollte – hier fliegen viele Airbusse – bist Du herzlich willkommen, mein Gast zu sein.
    Beste Grüße aus Madrid
    Holger (herr oppermann )

  3. […] Von Tarifa, über Cadiz nach Sevilla und dann nach einem Abstecher über Portugal nach Caceres, Toledo und schließlich nach […]

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