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Cachi: Mit Carlos zu den Kakteen

Der Kakteenpark kurz vor Cachi

Carlos steigt als Letzter ein. Der Minibus ist schon einige Kilometer ausserhalb von Salta, als der 65-Jaehrige mit dem sonnengegerbten Gesicht unter den weissgrauen Haaren die Reisegesellschaft komplettiert. Carlos ist seit 40 Jahren verheiratet, gehoert seit ueber 30 Jahren einer Gaucho-Vereinigung an und ist stolz auf beides. All das wird er uns aber erst viel spaeter erzaehlen. Jetzt erstmal schwaermt der Reisefuehrer den rund 15 Mitfahrern auf diese Tour vor, welch wunderbarer Ausflug heute vor uns liege: die Strasse hoch nach Cachi, einem kleinem Dorf hoch oben in den Bergen, gut 150 Kilometer von Salta entfernt. Und tatsaechlich hat es jeder dieser 150 Kilometer in sich. Diese Tour hat vor allem einen Zweck: stundenlang mit grossem Vergnuegen aus dem Fenster schauen!

Die Yungas an der Straße nach Cachi Auf dem Weg nach Cachi Blick ins Tal von der Straße nach Cachi

Die Strasse fuehrt bald in ein enger werdendes Tal. An den Berghaengen sieht man die Yungas, die immerfeuchten, dichten Waelder, die ich auch schon in der Quebrade de San Lorenzo bewundern konnte. Dann weichen ploetzlich die Baeume, die Haenge sind nun karger bewachsen, hier und da stehen einzelne Kakteen. Ein paar Bauern bewirtschaften das Tal. Der Minibus kraxelt Serpentine um Serpentine den Hang hinauf. Immer wieder bieten sich wunderbare Blicke in das tief unten liegende Tal, auch wenn uns die Wolkendecke nicht ganz wohlgesonnen ist. Auf 3.400 Meter Hoehe erreichen wir schliesslich den Pass, auf dem wir eine kleine Pause einlegen. Dort steht eine kleine Kapelle, in der man Koka-Blaetter, eine halbvolle Coca-Cola-Flasche und andere Wegzehrung findet. Es sei eine alte Tradition, erklaert Carlos, dass man auf dem Weg in die Berge an solchen Orten etwas hinterlasse, damit Reisende, die hier etwas braeuchten, Vorraete vorfinden. Jeder duerfe sich davon etwas nehmen, sagt Carlos, und stopft sich ein paar Koka-Blaetter in den Mund.

Carlos, der freundliche Gaucho, macht Fotos von Touristinnen oben auf dem Pass

Hinter dem Pass breitet sich eine Hochebene aus, die auf rund 3.000 Meter liegt. Der eindruckvollste Teil der Fahrt ist hier oben eindeutig ein Park, in dem tausende der riesigen San-Pedro-Kakteen in der Gegend stehen, vier, sechs, acht Meter hoch. Laut einer Schrifttafel vor Ort sollen einige hier gar zehn Meter in den Himmel ragen.

im Kakteenpark

Beim naechsten Aussichtspunkt hat man dann schon einen Blick auf die schneebedeckte Cordillera der Anden. Dann ist Zeit fuer eine ausfuehrliche Mittagspause in einem netten Restaurant. Ich sitzte mit drei aelteren Argentiniern am Tisch, die mir erstmal eine halbe Stunde lang von der Tradition des Asado (die argentinische Art zu Grillen) vorschwaermen, und mir dann ihr Leid mit der viel zu linken Praesidentin klagen. Die, aergern sich die beiden, tue doch nur etwas fuer die Menschen, die nichts tun. Er selbst, sagt einer der beiden, habe ein kleines Bauunternehmen. Das aber sei derzeit wirklich schwierig. Zum einen fordern die Arbeiter angesichts der bis zu 30 Prozent Inflation stets mehr Lohn. Und dann seien auch noch die Lohnnebenkosten extrem gestiegen. So koenne man doch niemanden mehr einstellen.

Dann kommt der Cortado (Espresso mit etwas Milch) und schon geht es weiter.

Cachi selbst ist ein ausgesprochen ruhige Dorf. Das Zentrum besteht aus kaum mehr als vier Blocks. Und man sieht, dass Cachi von den Touristengrupppen lebt, die hier taeglich aus Salta hochgekarrt werden. Viel los ist dennoch nicht. wir kehren schon nach einer knappen dreiviertel Stunden zurueck.

eine der vier Straßen in Cachi

Auf der Rueckfahrt gerraet Carlos dann nochmal ins Schwaermen. Nicht ueber die Landschaft, sondern ueber die Geschichte. Heute, betont er, sei schliesslich der 20. Februar, der 200. Jahrestag der Schlacht von Batalla. Anders als bei den allgemeinen Jubelarien aber begeistert sich Carlos weniger fuer den Helden Belgrano, der das Heer in die Schlacht gefuehrt hatte, als fuer die Geschichte von General Guemes. Der stamme urspruenglich aus gutem Hause, habe sich dann aber immer mehr fuer die Belange der armen Landbevoelkerung eingesetzt und schliesslich eine Truppe von 190 Gauchos zusammengestellt, die an der beruehmten Schlacht gegen die Kolonialherren teilgenommen haetten. Guemes selbst habe gefehlt, weil Belgrano ihn nicht dabei haben wollte – wegen einer unschicklichen Affaere: Guemes hatte damals eine Beziehung zu einer bereits verheiratete Frau! Ein echter Skandal. Schliesslich hatten die Revolutionaere auch die katholische Kirche auf ihrer Seite.

Fuer Carlos ist das beeindruckend. Schliesslich habe Guemes zu seiner nicht gesellschaftsfaehigen Beziehung gestanden. Und diese unerschuetterliche Liebe sei mindestens genauso wichtig, wie sein Engagement fuer die Landbevoelkerung. Jedenfalls geniesse Guemes bis heute hohes Ansehen bei den Gauchos. Es sei geplant, noch in diesem Jahr einen historischen Ritt nach Buenos Aires durchzufuehren. Wenn das klappe, sei er auf jeden Fall dabei, sagt Carlos, obwohl man 42 Tage brauche, um nach Buenos Aires zu reiten.

Uns bittet er, doch unbedingt am Abend noch auf das grosse Jubelfest auf dem histroschen Schachtfeld im Norden von Salta zu gehen.

Angesteckt von so viel Begeisterung mache ich mich spaet abends tatsaechlich nochmal auf den Weg – und finde ein grosses Open-Air-Konzert auf offener Wiese vor. Rund 10.000 Zuschauer sind da. Teils mit Plastikstuehlen, teils mit Regenschirm. Und alle mit sichtbar guter Laune. Als ein Musiker allein mit seiner Gitarre die Buehne betritt, muss er nur einen Akkord anschlagen und die erste zwei Worte seines ersten Songs anstimmen, schon singen alle – wirklich fast alle, alt und jung, lauthals mit.

Spaeter treten dann noch Los Nocheros auf, die offenbar eine gewisse Beruehmtheit hier haben. Das Konzert wird live im Fernsehen uebertragen. Ich selbst fuehle mich ein wenig wie in einem Film.

Reiseinfos:

Tagestour nach Cachi: 190 Pesos mit Nordic Travel.

One response to “Cachi: Mit Carlos zu den Kakteen”

  1. […] Cachi: Bergdorf in der Nähe von -> Salta. Vor allem der Weg dorthin ist die Reise wert. Mehr dazu hier. […]

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