Das Tolle an Berlin ist, dass man auch nach vielen Jahren immer wieder noch neue Orte entdecken kann. Selbst mitten in der Mitte. Zum Beispiel das Ephraim-Palais im Nikolai-Viertel, an dem ich bisher allenfalls vorbeigeradelt bin, ohne es eines Blickes zu würdigen. Denn das Nikolai-Viertel, das Touristen ja gern als die älteste Ecke der Stadt angepriesen wird, ist tatsächlich eine künstliche Puppenstube, die erst 1987 zum 750-Jahre-Jubiläum der Stadt wiederaufgebaut wurde. Für gestandene Berliner also eher uninteressant – sollte man meinen.
Auch das Ephraim-Palais wurde erst 1987 wieder aufgebaut. Der Originalbau ist – nein, ausnahmsweise mal nicht im Krieg zerstört worden, sondern – schon ein paar Jahre zuvor von den Stadtplanern des Nationalsozialismus abgerissen worden, um den daran vorbeiführenden Mühlendamm zu verbreitern. Die Straße ist immernoch so überdimensioniert. Also wurde das Palais eben um rund 12 Meter weiter nördlich aufbaut – mit Orginalteilen des Ursprungsbaus, die lange Zeit in West-Berlin eingelagert waren.
Aufmerksam geworden bin ich auf das Haus erst jetzt, durch die sehr sehenswerte Ausstellung Geraubte Mitte, die dort noch bis Januar 2014 gezeigt wird. Der Ort könnte nicht passender gewählt sein. Denn sie erklärt anhand des Kernbereichs der Berliner Innenstadt die Arisierung jüdischer Grundstücke während der NS und den damit einhergehenden Stadtumbau. Das ganze ist sehr anschaulich präsentiert mit vielen kleine und großformatigen Bildern der Häuser, zahlreichen Dokumenten und gut aufbereiteten Eklärtexten. Im Mittelpunkt stehen exemplarisch fünf Grundstücke – und man hofft, bis zum Schluss, dass man im letzten Raum eine Art relatives Happy End erzählt bekommt. Dass also die Enteigneten in der DDR oder doch spätestens nach der Wiedervereinigung entschädigt wurden. Aber nein. Deutsche Geschichte bleibt auch hier unangenehm. Am übelsten stieß mir die Geschichte des Grundstücks Werderstraße 9-12 auf. Dazu heißt es im Ausstellungstext: „1998 wurden der Antrag auf Rückübertragung und jeglicher Entschädigungsanspruch mit dem Hinweis: ‚kein Verfolgungsbedingter Vermögensverlust‘ abgelehnt. 1999 wurde auf dem Grundstück der Erweiterungsbau des Auswärtigen Amtes fertig gestellt.“ Eine Vollendung der Arisierung durch den Neubau des Außenministeriusm im Nach-Wende-Berlin. Geht’s noch?
Die ganzen Details und Ausstellungstexte findet man auch nochmal im lohnenswerten kleinen Katalog.
Das Ephraim-Palais ist – schon wegen seines schön geschwungenen Treppenhauses – auch unabhängig von der Ausstellung einen Besuch wert.
Hinweis für Rollstuhlfahrer: Das Palais ist nach Angaben von mobidat rollstuhlgerecht. Ich habe jedoch keinen Aufzug gesehen – ihn allerdings auch nicht wirklich gesucht.