grimo auf reisen

die welt liegt uns zu füßen

Akko, ein unterirdisches Amargeddon

Akko, ach, Akko. Wie du da liegst mit der Nase in der wilden Brandung, die du mit deinen Mauern zurückhältst. Wie du mich verwirrst, mit deinen Winkeln und Ecken, Gassen und Tunneln, wie du mich betörst, mit deinen Düften, wie du mich bezauberst mit deiner Geschichte, da könnte ich fast untreu werden, deiner marrokanischen Schwester Essauouira, der ich einst ein Loblied sang.

Doch Akko, ach, Akko, alle hast du begeistert, hergezogen seit 4.000 Jahren. Wer war nicht alles hier? Die Phoenizer, Griechen und Römer, Caesar und Kleopatra, die Kreuzritter und ihr muslimisches Gegenüber, die Mamlukken, die Osmanen und die Briten, alle hast du erobert, indem du dich von ihnen erobern liest. Immer wieder aufs neue. 

 Nur mich, mich nicht.

Ja schon, die Falafel da oben ist wunderbar. Der deutschbegeisterte Händler mit seinen klebrigen Honignusskuchen ein Schätzchen, der Souk eine wohlriechende Passage durch dein Herz, die Treppen am Ende deiner Gassen eine Einladung dir aufs Dach zu steigen. Und doch Akko, ach, Akko, mich packst du nicht.

Tief in dir schlummert die unterirdische Stadt, das Gewölbe der Kreuzfahrerzitadelle, von der aus über Jahrhunderte der Küstenstreifen hier beherrscht wurde. Welch einmaliges Bauwerk. 
Doch was hast du daraus gemacht? Eine Soundkatastrophe, ein Amargeddon für Augen und Ohren. Nett gemeint, aber komplett daneben.

Mit Kopfhöreren schickst du deine Besucher in die Keller der Geschichte, geleitest sie mit akustischen Geschichtchen durch die Jahrhunderte und kleisterst alles zu, bis nichts mehr bleibt, kein Platz für eigenes Erfahren, kein Raum für Raumgefühl, nur der verzweifelte Versuch, die Akustikautomatik mit den Audiopunkten in Einklang zu bringen, zu verstehen, was das Gehörte mit dem Gesehen zu tun hat, haben soll, wie es auf das zuvor präsentierte aufbaut, aufbauen soll. 

Nein, du stresst mich, du lenkst mich ab, bis ich nichts mehr weiß, nichts mehr merke, merken kann. Was für eine orgiastische Kakophonie.

Klar, ich kann das ausschalten, ja. Mir von den Ohren reißen. Aber dann bleibt immernoch das Videogeflimmer in allen Ecken, das die Sicht auf die uralten Mauern verunmöglicht. Es ist ein Grauen. 

Später, auf dem Hof, als in einem Moment der Ruhe die Sonne durch die Wolken dringt, da wird es fast wieder gut. Aber eben nur fast. Und dann denk ich an Essaouira, meine große Liebe unter den Festungsstätten am Meer.

Vielleicht bin ich ungerecht, weil ich dir nur Stunden gebe, anders als Essaouira, von der ich mich tagelang begeistern ließ. Durch die ich zudem allein, dürstend nach Emotion, offen für kleinste Impressionen zog, anders als jetzt, wo ich Teil einer Kleingruppe bin, stets Ausschau halten muss, wo die anderen sind, wohin ihre Nase sie zieht. 

Aber all das kann es nicht sein. Akko, ach, Akko. Wie kannst du dich so verschwendenan das Geflimmer der Moderne. Du müsstest es besser wissen mit deinen 4.000 Jahren Erfahrung. 

Das Einzige, was mir Hoffnung lässt: nichts hat bei dir Bestand. Alle paar Jahrhunderte schon kommt etwas Neues. 

One response to “Akko, ein unterirdisches Amargeddon”

  1. […] finden sich nun Texte unter anderem aus und über Tel Aviv, Haifa, Akko, einem Kibbuz im Norden, Nazareth, Sfat, Jerusalem, sowie vom Golan und vom Toten […]

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