grimo auf reisen

die welt liegt uns zu füßen

David Bowie @ Martin-Gropius-Bau

Bildschirmfoto 2014-06-03 um 21.24.10

Am Ende steht man dann mittendrin. Bowie, David Bowie, im schwarzen Netzhemd haushoch auf die vier Wände des Raumes gebeamt, verkündet gerade, dass dieses Konzert ein ganz besonderes sei. Denn schließlich sei dies nicht nur der letzte, garndiose Auftritt im Rahmen der laufenden, grandiosen Tournee, sondern der letzten, den sie jemals machen werden.

Das Publikum kreischt entsetzt auf. Und Bowie singt: „Rock’n’roll Suicide“.

„Just turn on with me, and you’re not alone / Let’s turn on and be not alone“, singt  Bowie. Und: „Gimme your hands, ‚cause you’re wonderful“. Und wer spätestens jetzt, wenn die Gitarren und Bässe, wenn die Schlagzeugbeats durch im Supersurroundsound durch den Ausstellungsaal brummen, wer spätestens jetzt dem „Heroe“ dieser Schau im Berliner Martin-Gropius-Bau nicht die Hand reichen möchte, dem ist dann auch nicht mehr zu helfen.

Es war natürlich nicht sein letztes Konzert, das bekommt man in diesem Raum der großartigen Ausstellung gleich mehrfach vorgeführt. Eine halbe Stunde lang werden hier Konzertausschnitte gezeigt, mal nur im Ton, mal nur in unzähligen über den Wänden verteilten Videoschnipseln, mal Ton und Bild synchron wie bei „Suicide“. Dazwischen gibt es Kostüme aus den verschiedesten Epochen, des sich immer wieder wandelnden Stars. Zum Beispiel eben auch als seiner Zeit als Ziggy Stardust, der ersten Parrallelfigur, die sich Bowie schon Anfang der 70er Jahre geschaffen hatte, und die er mit dem hier dokumentierten Live-Auftitt wieder beendete.

Schlicht „David Bowie“ heißt die pickepacke vollgestopfte Ausstellung, die seit Ende Mai und noch bis 10. August in Berlin zu sehen ist – und die sich lohnt, für Bowie-Fans allemal, aber auch für alle anderen, die etwas über Selbstinszenierung, Songwriting, Texten, Studioarbeit, Kostümdesign, Theatralik in Rockshows, Live-Musik und Berliner Zeitgeschichte erfahren wollen.

Nur eins muss man mitbringen: Zeit! Viel Zeit! Denn auch wenn die Schau gerade mal eine halbe Etage des Gropiusbaus füllt, habe ich über drei Stunden gebraucht – und dennoch bei weitem nicht jeden der vielen kleinen Texte, die – manchmal im Halbdunkel leider schwer zu lesen – die unzähligen Ausstellungsstücke erklären. Da erfährt man unter anderm, dass Bowie als 17-Jähriger einen Fernsehauftritt hatte als Mitglied und Gründer einer Organisation gegen Gewalt gegen langhaarige Männer. Oder dass er, ungefähr zur selben Zeit, mal Sänger einer Band namens The Kon-rads war. Und dass er von seinem Manager eine Vorabpressung des ersten Albums von Velvet Undergound aus Andy Warhols Fabric in New York mitgebracht bekam, und so Songs wie „European Son“ davon bereits covern konnte, bevor sie in England überhaupt auf dem Markt waren. Oder dass er sich später von einem Computerprogramm Wörter von Sätzen per Zufall mischen ließ, um so Inspiration für neue Texte und Songs zu bekommen.

Es gibt so viel zu erfahren, zu lesen oder auf Videotheaterwänden zu sehen, dass man  kaum voran kommt – was selbst an einem Dienstagmorgen gleich im  ersten Raum dazu führt, dass sich die Besucher stauen, obwohl draußen überhaupt keine Schlange war. Zum Glück entspannt sich das in den hinteren Räumen ein wenig. Ich möchte mir nicht vorstellen, wie voll die Räume werden, wenn es zum Beispiel am Wochenende wirklich mal voll ist.

Zum Glück ist man wenigstens akustisch in seiner eigenen Welt. Denn  jeder Besucher bekommt per Kopfhörer den Sound zum jeweiligen Raum ins Ohr geliefert, meist erkennt man dann erst auf den zweiten Blick, dass irgendwo auch das passende Video eines Fernsehauftritts dazu läuft. Dies ist eine Mulitmediaausstellung, die diesen Titel wirklich verdient.

Nach dem großen Show-Ende in dem eingans erwähnten „Konzert-Saal“ gibt es – wie könnte es anders sein – noch eine Zugabe. Die späten 70er, Bowies Zeit in Berlin, wurden speziell für diesen Ausstellungsort nochmal mit zwei kleineren Extraräumen gewürdigt, in denen zum Beispiel die Enstehung des Albumcover von „Heroes“  und dessen Bezug zu den Berliner Erxpressionisten erklärt wird. Und in denen man natürlich auch die wunderbare, von Bowie selbst gesungen, englisch-deutsche Version von „Heroes“ zu hören bekommt, weil sie Teil des Soundtracks von dem Film „Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ ist.

Dieser Song, den ich seit 30 Jahren immer und immer wieder hören könnte, steht dann wirklich am Ende. Also fast. Dann kommt nur noch ein Interview, dass er am Rande einse Auftritts vor dem Reichstag in den späten 80ern gab. Und nochmal eine – im Wortsinne – bunte Sammlung seiner Kostüme. Und dann ist wirklich Schluss.

Beim Rückweg durch den Gropiusbau, kann man noch von oben einen Blick auf die zur ebenfalls sehr sehenswerten Ai Weiwei-Ausstellung gehörende Installation aus 6.000 alten chinesischen Hockern werfen. Für das ganze Werk des regimekritischen Künstlers sollte man aber unbedingt nochmal extra kommen. Beides an einem Tag, das wäre einfach zuviel.

Zumal der Kopf randvoll mit Ohrwürmern ist.

 

rollstuhl6.jpg Und noch ein Hinweis für Rollstuhlfahrer: Herr.Oppermann war diesmal nicht mit, deshalb sind das alles ungeprüftes Infos. Aber es gab gleich mehrere Rollifahrer, die sich die Ausstellung problemlos angeschaut haben. Und der Gropiusbau verkündet in seinen Besucherinfos, dass er barrierefreie Zugänge zu allen Etagen hat. Nur das Hauptportal mit Rampe, Treppe und Drehtür bleibt ein Ding der Unmöglichkeit, aber es gibt einen eigenen, ausgeschilderten Zugang links vom Haupteingang.

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