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die welt liegt uns zu füßen

San Gil: la esquina y la isla

La esquina

Der Typ ist – sagen wir mal etwas – betrunken, aber freundlich. Ein grinsender Schlacks in rotem Shirt, der mir zuprostet aus dem Laden raus. Und dann zu mir kommt, an die Tür, an deren Rahmen ich gelehnt das Treiben an der Ecke beobachte. Wie alle hier mit einer Falsch Bier in der Hand.

Denn gibt es hier in dem Laden an der Nord-Ost-Ecke der Palza in San Gil, einem unscheinbaren, aber netten Städtchen an den teils sehr steilen Hängen eines Tals gut sieben Stunden Busfahrt nördlich von Bogota.

Auf dem Platz selbst hocken ein paar Menschen schwatzend auf den Bänken unter den Bäumen, einige turnen auch in dem wasserlosen Brunnen und genießen die leicht schwüle Wärme, die so angenehm in den letzten Winkel der kurzbehosten Knochen kriecht.

Am Rand dieses typischen Platzes einer Stadt mit kolonialem Kern brutzeln Frauen auf fahrbaren Grills leckere Fleischspiesse, auf die an einem Ende noch eine Kartoffel gesteckt ist, eine andere Frau verkauft Mangoschlitze mit Limonensaft, Salz und Pfeffer in einem Plastikbecher. Eine unglaublich gute Kombination.

Aber am meisten los ist hier an der Ecke direkt vor den Balkonen meines Hostals, die sich nicht einmal selbst einig ist, wie sie heißt. Auf der einen Seite steht „Esquina del americano“, auf der anderen „Esquina del movimento americano“, was ein kleiner aber feiner Unterschied ist.

Der Ladenbesitzer hat sich für ersteres entschieden. „Tienda El Americano“ steht über der einen der beiden Türen. Dahinter gibt es alles, was auch ein Spätverkauf in Berlin so im Angebot hätte. Also Bier vor allem, dass hier flaschenweise über die Theke geht. Auch Wein, den aber keiner kauft. Oder härterer Alkohol, der in schönen Flaschen die Regale bis an die Decke füllt.

Im Laden hocken ein paar Gestalten auf Plastikhockern. Die meisten aber stehen draußen auf dem Bürgersteig. Vor dem Laden an der Ecke oder dem, der gleich nebenan das nahezu gleiche Angebot hat, dazu noch ein Pissoir für dringende Fälle, ohne Tür davor gleich im Verkaufsraum.

Ein paar Meter weiter stehen zwei Polizisten und beobachten das Treiben. Alkoholtrinken in der Öffentlichkeit scheint hier erlaubt zu sein oder wird immerhin geduldet – anders als in Südbolivien. Und davon machen alle reichlich Gebrauch.

Mein neuer Freund im rotem T-Shirt will wissen, woher ich komme und wie lange ich schon da bin, da fällt ihm ein ältere Kollege ins Wort. Der Junge soll doch besser auf den Rucksack aufpassen, aber das ist ihm er egal. Er will doch jetzt erstmal mit seinem amigo aleman reden. Amigo?, der alte guckt mich zweifelnd an. Seit zwei Minuten, sage ich und zieht gleichzeitig die Stirn kraus und lacht mich an.

Sie würden beide für die Firma arbeiten, die für das Licht und die Elektrizität hier zuständig sei, erzählt er dann. Und in dem Rucksack sei ein Computer der Firma, den könne man doch nicht einfach hier so im Laden rumstehen lassen, schimpft er über den Jungen, der das alles nicht einsehen will. Der senor aleman hier, stöhnt der Alte, versteht mich besser als dieser Betrunkene hier. Dann legt er ihm doch den Rucksack um die Schulter und schickt ihn nach hause. Es ist ja auch schon weit nach 22 Uhr, hier werden eh bald die Bürgersteige hochgeklappt.

La isla

Wir sitzen zu dritt im Taxi. Ein Holländerin, ein junger Berliner aus Belgrad und ich. Im zweiten Taxi roten die andere, zwei Amerikaner, die andere Holländerin, eine Britin. Die Internationale der Traveller halt, die sich auf der Plaza getroffen hat und noch weiterziehen wollte. Und dank des allwissenden oder zumindest alle prägenden Lonely Planet wissen wir auch wo: wir müssen zu La Isla, mit dem Taxi zum San-Gil-Einheitspreis 4.000 Pesos (etwas mehr als ein Euro).

Warum das ganze La Isla heiße, will vom Taxifahrer wissen, ob das Gelände auf einer Insel im liege? Auf einer Insel?, der Fahrer lacht nur und kurvt die drei Kilometer bis ans Stadtende auf der anderen Seite des Tals.

Wir halten an einer großen, hell erleuchteten Tankstelle – und sind da. Lärmende Discomusik ist zu hören. Sie kommt aus dem offenen Kofferraum eines parkenden Autos, davor tanzt ein halbes Dutzend junger Kolumbianern.

Die anderen sitzen an Tischen und Stühle vor einer Reihe von Imbissen direkt neben der Tanke. Ist das schon das Nightlife columbiano?

Wir entdecken eine Treppe nach unten. Dort verstecken sich zwei Clubs, einer heißt One Shot, und darum geht es hier: Liebevoll gemixte Drinks in Schnapsgläsern. Bei einem der Drinks gehört es zur Show, dass sie auf der Theke angezündet werden, und dann vom Barkeeper mit einer Art Minifeuerlöscher besprüht werden, der hier aber nicht lösche soll, sondern im Gegenteil weiteren hochprozentigen Alkohol ins Feuer gießt, bis die Flammen kurzzeitig fast einen Meter hoch schießen.

Das ganze garniert mit heißen Latinobeats und köperbetont wie körpernah tanzenden Kolumbianern. Älter als 25 dürfte hier kaum jemand sein. Außer mir natürlich. Ich schau mir das kurz an und freu mich, dass oben an der Tanke eine ganze Reihe Taxis darauf wartet, die Menschen zurück in die Stadt zu bringen. Mich zum Beispiel. Gute Nacht, alter Mann!

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