grimo auf reisen

die welt liegt uns zu füßen

Tavira: Portugal mit Freunden

Wahrscheinlich sind das jetzt die Momente dieser Reise. Die die bleiben. Weil sie perfekt sind. Wunderbar entspannt. Ich bin verliebt. Nicht in eine Person, sondern in vier, genauer gesagt fünf, Herr Oppermann ist ja auch noch da. Wir sind rüber gefahren, weg aus dem Dauerregen Sevillas, der der Wetterapp sogar eine Unwetterwarnung wert war, nach Westen, der Sonne entgegen, nach Portugal. Tavira. Ein kleines Nest an der Algarve. Da wo sie nicht aus Steilküsten besteht, sondern wo sich langgestreckte, schmale Sandinsel vor die Küste gelegt haben. Ich war schon mal hier, vor fast 20 Jahren, auf der Durchreise, es hatte geregnet und es war Februar, also bin ich gleich weiter nach einer Nacht.
Diesmal bleiben wir drei Nächte, nicht in erster Linie weil es hier wunderschön oder gar einzigartig wäre. Im Gegenteil, unsere Unterkunft ist eine große Apartmentanlage zwei Kilometer vom eigentlichen Ort entfernt, gruppiert um einen blauen Pool. Aber behindertengerecht. Auch Herr Oppermann und ich haben statt des bestellten Zimmers mit Bad ein ganzes Apartment bekommen. Zwei Zimmer, zwei Bäder, Wohnküche, ein Balkon von dem man einen Streifen des Meeres in der Ferne erkennen kann. Aber das ist alles egal.

Wichtig sind Myriam, Pierre, Sofia und Margot. Unser belgisch-spanischen Freunde aus Sevilla, mit denen wir uns hier zu einem verlängerten Wochenende verabredet haben.
Pierre habe ich viele lange Jahre nicht gesehen. Später, als wir mal zusammen die Autos holen, damit wir nach dem Essen in diesem Restaurant unten am Meer nicht mit den Kindern durch die Dunkelheit über die ländlichen Straßen laufen müssen und Herr Oppermann mit seinem Rolli nicht den steilen Berg wieder rauf muss, als wir also den Kilometer zurücklaufen, legt Pierre den Arm um meine Schulter, erzählt von seiner Krankheit, die ein Tabu ist, die viele gar nicht für eine Krankheit halten, die sein Leben verändert hat in den letzten Jahren, die der Grund war, dass wir uns lange nicht gesehen haben. Die ihn dennoch nicht verändert hat. Er begrüßt Herrn Oppermann und mich immernoch mit einem freundlichen „Arschloch!“ – mit wunderbar französischem Akzent. Und er sagt: er habe eine Idee für mich. Zusammen mit Herrn Oppermann entwickelt – unten am Pool.
Dies sind die schönste Momente der Reise, die die bleiben. Wir sitzen am Pool und machen Witze. Wir fahren zu dem malerischen Dorf oben an der Küste, in dem die Sonne schon tief steht. Wir essen Langustinos, Pulpo und Arroz, Reis mit Mariscos. Myriam hat schon bestellt, während wir die Autos geholt haben. Es schmeckt wunderbar. Wir reden auf deutsch, spanisch, französisch, englisch, mischen bunt durcheinander, jeder so, wie er gerade kann. Les filles, die Mädchen, 11 und 13, sie können die Zahlen natürlich auf deutsch, im besten vorpubertären Alter, ein äußerst entspannter innerfamiliärer Ton, der sich in den kommenden Jahren ändern mag. Aber jetzt, jetzt ist alles großartig.
Wir erzählen von unseren Leben in den letzen Jahren. Wir nehmen noch ein Dessert. Babo camelo für mich, Kamelspucke. Entpuppt sich als karameliger Pudding. Dazu Café.

Am nächsten Tag fahren wir wieder los. Nach Manta Rota, ein paar Kilometer zurück nach Osten. Myriam hat herausgefunden, dass es dort ein Fischerdorf gebe. Und einen rollstuhlgerechten Strand. Das Dorf ist unspektakulär. Herr Oppermann und ich lernen es kennen, weil wir den Abzweig zum Parkplatz am Meer verpassen und erstmal eine Runde drehen müssen. Aber der Strand!
Holzstege ohne Stufen führen über die Dünen bis in den Sand. Und da, wo üblicherweise Schluss ist für Rollifahrer, da geht es hier erst los. Denn auch auf der Strandseite der Dünen sind die Stege mit einem Weg aus Holzpaletten verbunden, so dass Herr Oppermann rollen kann.

Gut. Hier und da hat der Wind den Sand über das Holz geweht, bergeweise. Aber ersten sind wir zu sechst und fünf können mal eben den Sand wie Schnee mit den Füßen zur Seite schippen. Oder wir ziehen und schieben und drücken und ruckeln. Es geht.
Herr Oppermann schaltet seine GoPro-Kamera an und dokumentiert das Abenteuer.

Les filles spielen im Sand und bauen Treppen.
Wolken schieben sich vor die Sonne und ziehen dann weiter.

Myriam und die Mädels spielen mit mir Film raten. Eine zeichnet ein Bild in den Sand, die anderen müssen erkennen, worum es geht. Titanic, Spiderman, James Bond, alles einfach – auch wenn wir als erstes immer auf Harry Potter tippen. Dann zeichnet Sofia einen Mann in den Sand und eine Münze daneben. Myriam und ich sind ratlos. Dann kommt die elfjährige Margot dazu, guckt und sagt ohne zu zögern: 50 Shades of grey. Stimmt, sagt ihre 13-jährige Schwester.
Myriam ist überrascht. Wieso Margot diesen Film kenne, fragt sie. Weil sie nicht blöd ist, antwortet die große, wissend lächelnde Schwester, die den Film offenbar wesentlich besser kennt, als ihre Eltern das vermutet hätten.
Später sitzen wir in einer Bar hinter der Düne, direkt am Steg. Es gibt Muscheln, sehr gut gewürzt. Und zwei Töpfe. Der eine nochmal Reis mit Mariscos, der andere mit Nudeln und Fischeinlage. Alles schmeckt wunderbar, besser noch als am Vortag. Die Kellnerin stammt aus Südafrika und ist die freundlichste der Welt. Der Chef ist Portugise, spricht aber fließend Spanisch, weil er als Kind immer Serien im spanischen Sender geschaut hat. Margot nimmt Herrn Oppermanns GoPro und wird Kamerafrau, das ist offensichtlich der Beginn einer großen Karriere.

Herr Oppermann will aufs Klo, was kein Problem ist, weil es hier eins für Rollifahrer gibt. Das ist zwar abgeschlossen, weil es gerade als Abstellraum für die Lautsprecherboxen der letzten Party genutzt wird, aber das räumt der Barchef gern schnell zur Seite, währten der erzählt, dass der Bürgermeister, sagt hier gefeiert habe, der sei nebenbei auch DJ und Sänger.
Bleibt noch die Idee von Pierre. Er sagt, ich solle ein Buch schreiben. Ich könne das, er hat mich zwar fast zehn Jahre nicht gesehen, aber er ist sich sicher. Nicht über Politik oder über das Reisen oder über die Liebe. Sondern über alles drei gleichzeitig. Und die Hauptfigur, die das alles zusammenhalte, die gebe es dich längst. Das sei Herr Grimo.
Vielleicht sollte ich es mal versuchen.
Aber erstmal gibt es noch einen Abend mit Salat bei uns im Apartment. Mit Atún, mit Thunfisch. Und einer Familie zum Verlieben. Und mit Herrn Oppermann.
Danach sehen wir weiter.

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