grimo auf reisen

die welt liegt uns zu füßen

Die Geschichte, die man nicht erleben moechte

Ich habe gerade Bier getrunken. Ich weiss, dass ist auch keine Loesung. Schon gar nicht mittags. Aber was solls. Irgendwie muss man ja damit klar kommen. Und der Inder Gottem (keine Ahnung, ob der sich so schreibt) meinte, ein Bier trinken, das hilft jetzt. Ich habe ihm mal geglaubt. Er hat die gleiche Geschichte erlebt.

Der Plan fuer den Tag war klar. Ein wenig spazieren gehen. Nichts uebertreiben. Schliesslich bereitet die Hoehe mir immernoch Kopfschmerzen. Erst mal also  in den Park mit dem Mirador, dem Aussichtspunkt ueber die Stadt. Dann in die Zona Sur, die moderne Suedstadt von La Paz. Und hinterher noch ins Archaeologie-Museum.

Der Park liegt nur ein paar Blocks vom Hostel entfernt. Erst die steile Gasse herunter, dann links. Nach ein paar hundert Metern gibt es einen ersten Aussichtspunkt. Vorn die Hochhaeuser, dahinter die die Haenge hochkraxelnden Vororte, und dahinter die richtigen Berge. Die, die halt noch hoeher sind als die 4.000 Meter, die hier schon innerhalb der Stadt erreicht werden.

Im Park stehen ein paar Karussells, nichts aufregendes. Oben drueber fuehrt eine langezogene, mehrfach geschwungenen Fussgaengerbruecke, die Ausblicke liefert. Immer wieder Ausblicke. Auf den Fussballplatz da unten. Auf das Amphitheater. Auf den Busparkplatz, auf dem gerade irgendeine Versammlung stattfindet. Was genau kann ich nicht verstehen. Nur die Schlussworte eines der Redner wehen herrueber: „Viva La Paz!“

Am Ende der Bruecke fragt mich ein Chilenin, wie man vor hier wieder in die Altstadt komme. Und ob es auf dem Weg ein Museum gebe. Ich kenne nur das Archoelogie-Museum, denn da will ich ja auch hin. Da quatscht uns ein Mann von der Seite an. Er ist von der Polizei. Er traegt zivil, aber zeigt uns gleich seine Marke und seinen Polizeiausweis.  Er will unsere  Reisepaesse sehen, denn es gebe viele Touristen, die mit gefaelschten Papieren ins Land einreisen. Ich bin genervt, die Chilenin auch. Mein Reisepass liegt im Hostel. Kein Problem, sagt der Polizist, dann fahren wir da eben hin. Das ganze nervt ein wenig, aber egal, schon sitzen wir in einem Taxi.

Nach wenigen Metern meint der Polizist, ach was, man koenne sich den Weg auch sparen. Das Taxi dreht um, wir parken in einer Seitenstrasse. Der Polizist erklaert uns, dass viele Touristen mit Falschgeld und auch mit gefaelschten Kreditkarten unterwegs seien. Und mit Drogen. Ja, klar. Ich bin noch mehr genevrt, aber es hilft ja nichts. Die Chilenien und ich muessen unser Geld auspacken, unserer Kreditkarten. Wir sollen ihmm n ichts verheimlichen. Er fasst der Chilenin zwischen die Brueste, um zu pruefen, ob das ein Brustbeutel haengt. Und mir an den Guertel. Ja, ja, schon gut, ich zeig ihm auch meine Reserven in der Guerteltasche.

Immerhin, beruhigt uns der Polizist, unser Geld ist echt. Er laesst es uns fuehlen. Und bietet zum Vergleich gefaelschtes Geld zur Probe an. Ja, stimmt, das fuehlt sicgh billig an.  Wir sollten, ermahnt er uns, keinesfalls Geld auf der Strasse tauschen. Er prueft unsere Kameras, selbst meine Wasserflasche per Geruchsprobe auf Drogen. Sie sind in Ordnung. Ich will hier nur noch raus.

Ja, sagt er einen Moment noch, er muesse nur noch pruefen, ob unsere Kreditkarten echt sind. Er fordert die Chilenin auf, ihm ihrem Code auf einen Zettel zu schreiben. Sie macht das bereitwillig. 2 4 0 0 . Der Polizist telefioniert, mit der Zentrale, ja, sagt er, die ist in Ordnung. Die Chilenin darf den Zettel zerreissen, zur Sicherheit. Dennoch muesse sie mit aufs Revier, weil ein Stempel in ihrem Pass fehle.

Ich bin perplex. Hat sie ihm wirklich ihre Geheimnummer gegeben? Ich frage den Polizisten, ob er die tatsaechlich auch von mir haben will. Ja, sagt er. Nunca, sage ich, niemals. Okay, sagt er, gibt mir die Karten zurueck. Ich bin mehr als skeptisch, ueber das, was hier abgeht. Aber er stopft mein Portemonnaie in den Rucksack und gibt mir auch den. Ich darf aussteigen. Oder sind Sie etwa ein Paar?, will er noch wissen. Nein, sage ich und bin draussen. Das Taxi braust davon.

Mit meinem Geld.

Im Portemonnaie sind noch 10 Dollar. Rund 500 Bolivianos und die 50 bis 70 Euro in bar fehlen. Insgesamt rund 120 Euro. Fuck! Aber die Kamera ist noch da. Und mir ist nichts passiert. Aber ich habe andere Sorgen: was die wohl jetzt noch mit der freundlichen Chilenin machen?

Im Hostel sitzt Gottem, der Inder. Er fruehstueckt gerade. Er hatte mir am Abend zuvor erzaehlt, dass er vor einer Woche in eine Taxi ausgeraubt wurde. Jetzt erzaehle ich ihm meine Story. Sie ist, so stellt sich heraus, nahezu identisch. Nur dass es beim ihm nachts geschah. Und dass sie ihm nicht nur all sein Geld, sondern auch Handy und Laptop abnahmen, auf dem er seine halbe Masterarbeit abgespeichert hatte.

Und dass er nicht von einer Chilenin angesprochen wurde.

Sondern von einer Peruanerin.

Die Frauen sind Teil des Spiels, meint Gottem. So wie der Taxifahrer auch. Die Frauen muessen immer alles zuerst machen. Ausweise auspacken, Geld rausholen, zum Schluss die Kreditkarten. So war es bei ihm. So war es bei mir.

Er ist danach zur Polizei gegangen. Zur richtigen. Die habe ihm Fahndungsbilder vorgelegt. er habe den Taeter erkannt. Zwei Tage spaeter sagte die Polizei ihm, sie habe nichts tun koennen, der Verdaechtige wohne nicht unter der angegebenen Adresse. Die sei gefaelscht.

So wie der Polizeiausweis wohl auch. Es gibt, erfahre ich an der Hostelbar von einem  Deutschen, der hier arbeitet, in Bolivien keine Zivilpolizisten, die Touristen kontrollieren. Schoen zu wissen.

Gottem und ich machen  Witze.  Didnt you say that you re a lucky man? fragt er. Einer, der bei all seinen Lateinamerikareisen noch nie beraubt wurde? Hast du das nicht gestern noch erzaehlt? Ja, hab ich, aber jetzt faellt mir ein, damals in Mexiko, da sind auch mal 200 Euro aus meinem Rucksack verschwunden – als ich ihn am Busbahnhof bei der Gepaeckaufbewahrung deponiert hatte. Weil: Sicher ist sicher. Denkste!ç

Einer seiner Lehrer, sagt Gottem, habe mal gesagt: Es gibt nichts wertvolleres als Erfahrungen, aber manchmal ist der Preis, den wir zahlen, um sie zu bekommen, zu hoch.

100 bis 120 Euro.

Wir stossen an. Noch ein Bier?

Mir kommt die Idee, T-Shirts zu drucken. „I survived the police robbery“. Gottem meint, das wuerde ein Verkaufsschlager. Er muss das wissen, er studiert Wirtschaft und Finanzwesen.

 

 

 

 

 

5 Responses to “Die Geschichte, die man nicht erleben moechte”

  1. Sch…, kein guter Start. Aber das wichtigste ist, dass Dir nichts passiert ist!

  2. […] erklärt, versteht man wenig. Ich habe mich für einen geführte Tour entschieden – auch wegen meiner blöden Erfahrungen mit der Polizei am Vortag – und sie in der Agentur im Loki Hostel gebucht. Sie hat 70 Bs. gekostet, das […]

  3. […] die Haftung des Veranstalters ausschließt. Und als ich all das gelesen hatte – am Tag nach dem Raub durch den Polizisten – hatte ich keine Lust mehr und habe stattdessen eine gemütliche Tagestour nach -> […]

  4. […] hier und dort, die gestern von mir gesehen Schlangen wartender Eltern vor den Schulen, boese Polizisten in La Paz und lohnende Ausflugsziele wie Villa Tunari, wo ich morgen hin will. Ob ich heute noch was […]

  5. […] Wenn mich Kolumbianer unterwegs gefragt haben, welchen Eindruck ich von ihrem Land habe, dann habe ich stets geantwortet: relajado! Sehr entpannt. Denn tatsächlich habe ich in den vier Wochen nicht eine einzige Situation erlebt, in der ich mich auch nur annährend unwohl, unsicher oder gar gefährdet gefühlt habe. Auch hat keiner der vielen anderen Reisenden, die ich unterwegs getroffen habe, von irgendwelchen bösen oder auch nur blöden Ereignissen erzählt. Da habe ich in anderen Ländern Südamerikas schon ganz andere Dinge erlebt. […]

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